Das Vermaechtnis
setzt er sich auf seinen Diwan. Er nimmt ein paar Trauben, kaut, schluckt und schaut seine Gäste an.)
Gimraios Das ist meine große Schwäche. Meine einzige. Ihr kennt sie. Die mit fleißigen Händen getöpferten Teller und Schalen, Becher und Amphoren. Und diese Unglücklichen ließen sie fallen. Da kenne ich keine Entschuldigung. Am liebsten möchte ich, dass auch sie in Stücken neben den Scherben liegen. Ich weiß nicht, woher das kommt. Es ist eben so.
Es waren die beiden neuen Sklavinnen. Es wird ihnen eine Lehre sein. Soll sie sich ein neues blaues Stirnband zulegen. Meine Frau kümmert sich um sie. Auch sie wird sich gleich wieder beruhigt haben. Sie kennt meine Schwäche. Und nun kennen die anderen sie auch. Alles wissen nun darum und diese Angelegenheit kann wieder ruhen. Dies soll unseren Nachmittag nicht verdrießen.
(Kurzes Schweigen)
Gimraios Tanobakt-Platon, in deinem Gesicht lese ich noch Zeichen der Verwunderung. Das Leben ist stets in Bewegung. Das zeigen schon die vielen Gespräche an nur einem Tag.
Tanobakt-Platon Verwunderung ist die Haltung eines Philosophen und Philosophie fängt mit Verwunderung an… Verwunderung auch darüber, dass Lärm bei mir stets üble Kopfschmerzen verursacht…
Salana-Gorgias Ich weiß nicht warum, aber mir fällt gerade das Öffnen des Kruges der Pandora ein.
Tanobakt-Platon Gut und schlecht. Was ist gut und was ist schlecht? Gab es das Gute zuerst oder das Schlechte, aus dem sich das Gute durch Erkennen entwickelt hat? Oder war beides zugleich da?
Salana-Gorgias Neugier – ist Neugier gut oder schlecht? Wir Philosophen wären nicht die, die wir sind, gäbe es keine Neugier. Für uns ist die Neugier gut, denn sie bringt uns weiter. Sie bringt uns dahin, hinter die Dinge zu sehen. Auch Pandora , so sagen die Mythen, die erste von den Göttern geschaffene Frau auf Erden war neugierig, öffnete den großen Krug, welches ihr verboten war, und ließ dadurch versehentlich all das Schlechte heraus. Seit dieser Zeit soll es das Schlechte unter den Menschen geben.
Tanobakt-Platon Dieser Mythos zum Beispiel gefällt mir nicht, denn er sät Schlechtes und hinterlässt dadurch dem Zuhörer einen unangenehmen Eindruck, welches schlecht ist für seine Seele und seinen Charakter. Nichtsdestotrotz, auch wir befinden uns mit unserer Neugier so manches Mal auf des Messers Schneide. Sokrates ist das beste Beispiel.
Gimraios Die Frau hatte schlecht gehandelt, da sie auf das Verbot nicht gehört hatte.
Tanobakt-Platon Da kommt es wiederum auf die Sichtweise an. Sie würde es sicher nicht wieder tun. Doch ist es nicht so, dass wir durch das Schlechte lernen? Pandora war neugierig und ging vom Guten aus, denn sie wurde von Göttern geschaffen. Außerdem sollte dieser Krug ein Geschenk sein. Bei Geschenken geht man von vornherein vom Guten aus. Also dachte sie sicher nicht, dass sich etwas Schlechtes dahinter verbergen könnte, sondern eher etwas Gutes. Sie wollte einfach nur wissen, was in dem Krug ist. Daher ist das Öffnen des Kruges nicht als schlecht anzusehen. Hätte sie gewusst, was sich darin verbarg, hätte sie ihn sicher niemals geöffnet. Und wenn, dann wäre diese Tat als schlecht zu bezeichnen gewesen.
Unter bestimmten Umständen konnte es auch dann nicht verwerflich sein, was sie tat, wenn sie nämlich dachte, dass sie etwas Gutes bewirke, indem sie das Schlechte herausließe. Sie hätte darin einen Nutzen gesehen, was aus ihrer Sicht nicht schlecht gewesen wäre. Denn das Schlechte um seiner selbst Willen kann niemand vernünftiger Weise wollen. Sie war irrtümlich vom Nutzen des Inhaltes ausgegangen, wie gesagt, es handelte sich um ein Geschenk.
Salana-Gorgias Die Neugier jedoch lässt uns all die Fragen stellen. Manche Fragen sind wie das Öffnen dieses Kruges. Manche Menschen mögen die Fragen nicht, weil sie unbequem sind und weil sie etwas treffen, was sie im Geheimen halten wollten.
Tanobakt-Platon Manche mögen die Fragen nicht, allein weil sie etwas treffen könnten.
Salana-Gorgias Wenn wir schon bei den Mythen sind, so will ich der Ordnung halber noch Hesiod erwähnen, der, der die Mythen niederschrieb. Hesiods umfangreiches Werk, die Theogonie , ist eine reiche Quelle von Mythen über die Entstehung der Welt und der Götter. Hesiod hatte den Mythos der Pandora wohl von einem noch älteren Mythos übernommen, als diejenige eine Göttin der Erde gewesen war, die alle zum Leben notwendigen Dinge schenkte, also eine Art Göttin der Fruchtbarkeit wie
Weitere Kostenlose Bücher