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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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der Kunst des Redens zu lehren, auf dass sie mittels diesem erlernten Wissen im Stande sind, ihr Wissen und ihre Weisheit anderen zu vermitteln. Meine Aufgabe sehe ich darin, dass diese klugen Köpfe ebenso ein Rüstzeug für ein gutes Leben erhalten und sich somit aktiv in Gesellschaft und Politik einbringen können.
    Denn nicht nur die von Geburt an höhergestellten Menschen haben allein von Geburt an höhere Fähigkeiten, sondern auch der einfache Bürger. Nur hat dieser selten die Möglichkeiten und das Glück, seine Fähigkeiten in der Gesellschaft voll entfalten zu können.
    In diesem Punkt, so glaube ich, sind wir uns einig, wenn auch von unterschiedlichen Herangehensweisen und auch unterschiedlichen weiteren Zielvorstellungen.
    Gimraios Im Sinne dieser augenblicklichen Übereinstimmung, meine hochgeschätzten Gäste, möchte ich unser kleines Symposium für heute beenden, denn wir wollen uns auf den gleich anstehenden Besuch im Théatron vorbereiten. Der Tag war heute sehr gedankenträchtig. Ich werde einige Tage brauchen, alle Ideen und Worte neu zu ordnen, wofür ich euch dankbar bin. Ich freue mich jetzt darauf, meinen Sohn im Théatron zu sehen. Dennoch hoffe ich, dass er früher als ich in die Welt der Gedanken einblicken wird, um meinen Münzhandel weiterzuführen, sodass ihm wiederum mehr Zeit bleibt wie mir, sich mit Männern wie euch auszutauschen, um weiterzulernen.
    Manches Mal trübt mich der Gedanke, dass ich ihn als schwach empfinde. Ich nehme es mir übel, dass ich Schwäche zeigte, als ich meine Absicht zurücknahm, ihn in Sparta ausbilden zu lassen. Doch ich sehe an euch, dass man auch ohne mit den Fäusten zu kämpfen stark sein kann, wenn man eine Meinung hat, die man zu Wissen reifen lässt, um diese dann weise zu vertreten.
    Salana-Gorgias Die Dichter der Tragödien – wie die großen Künstler Aischylos , Sophokles und Euripides – und der Komödien – wie Aristophanes – gehen ganz anders mit den Worten und den Inhalten um, als wir es lehren. Auch sie vermitteln eine bestimmte Absicht, die ich einmal Wesen nennen will. Sie vermitteln das Wesen, ohne es direkt beim Namen zu nennen. Sie schaffen es, dass der Zuschauer sich während einer Aufführung in diesem Augenblick dieser Person, im nächsten Moment schon einer anderen zugewendet fühlt. Das Ende ist dann meist wieder anders als erwartet und gibt wiederum Anlass darüber nachzudenken. Ein Theaterstück ist immer wieder erbauend, besonders, wenn es von begabten Schauspielern und Musikern vorgetragen wird. 
    Gimraios Mich freut vor allem die Entwicklung des Théatron im Allgemeinen in doch recht kurzer Zeit. Begonnen hatte es mit Liedern eines Chors bei den Dionysien , dann kamen Tänze dazu, dann ein einzelner Sänger, der als Schauspieler tätig wurde. Aischylos fügte einen zweiten Schauspieler hinzu, und Sophokles erhöhte die Zahl der Schauspieler auf drei. Von ihm werden wir heute Abend unterhalten werden.
     
    (Die drei Männer stehen auf.)
    Tanobakt-Platon Ins Théatron werde ich heute Abend nicht mitkommen, auch wenn ich deinen Sohn gern gesehen hätte und ich diese Aufführung, obwohl sie schon des Öfteren gespielt wurde, noch nicht zu Gesicht bekam. Ich plane eine größere Reise und will mich in Ruhe darauf vorbereiten.
    Gimraios Dann freue ich mich schon auf deine Rückkehr und fühle dich schon heute zu einem Gastmahl eingeladen. Hab Dank für deine Worte. Ich merke, wie viel ich noch nicht weiß, gerade heute ist mir das bewusst geworden. Oder, genauer gesagt, dass ich nur glaube, etwas zu wissen. Ich habe zunächst eine konkrete Vorstellung, mit dem nächsten Augenschlag jedoch kann sich schon alles verändert haben und das Wissen ist mit einem einzigen neuen Gedanken schon nicht mehr haltbar.
    Tanobakt-Platon Oder wie Sokrates meinte: Ich weiß, dass ich nicht weiß.
    (Alle gehen.)
     
     
    5. Akt, 2. Szene
     
    Chor Es ist Abend in Athen und es weht ein ungewöhnlich eisiger Wind. Dunkle Wolken ziehen auf. Das Wetter, es spricht unverkennbar die Sprache des Poseidon . Er kündet Unheil an, wenn er seinen Dreizack schwingt. An den Wolken und am Meer konnte man es beobachten, immer, wenn ein Unrecht geschah, seit Jahren schon. Doch für diese Zeichen hatte keiner einen Blick und auch kein Gespür, denn der Mensch dreht und dreht sich um sich und vergisst dabei in die Weite zu sehen.
    Besonders die, um die es geht.
    Besonders die, die die Zeichen ahnen.
    Besonders die, die das Dämonium, das Gewissen, in sich

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