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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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spüren.
    Besonders die, die von den Zeichen gewusst haben.
    Und besonders die, die versucht haben, die Zeichen zu vernichten.
    Besonders die, die der Grund für diese Zeichen waren.
    Sie sind es, die überrascht sind, wenn plötzlich ein Unwetter über sie kommt, unausweichlich. Ein Unwetter, das sie über Jahre über sich haben entstehen lassen. Bis zu diesem Tag. Er ist so sehr zu durchschauen, der Mensch. Selten gibt es die, die sich selbst sehen, wirklich und wahrhaftig.
    Wenn Poseidon sich erhebt, ist das Unheil unausweichlich.
    Der abnehmende Mond zeigt sich zwischen den Wolken und die zerstörende Kraft der Artemis baut sich auf. Auch sie hat gewartet bis auf diesen Tag, um zu richten und hernieder zu kommen mit ihrer Wut. Denn sie ist die Schützerin der Frauen und der Kinder. Lange schon, zu lange hat sie warten müssen.
    Niemand konnte von außen auch nur im Geringsten ahnen, was sich im innern des Hauses abgespielt hatte, all die Jahre. Sein war nur Schein.
    Artemis hat gesehen, wie die erstgeborene Tochter von Aleyna durch ihren Mann und Vater des Mädchens, Gimraios, blutig vor ihren Augen getötet wurde, abgeschlachtet wurde wie ein Tier. Aleynas Flehen erstickte in ihren ohnmächtigen Tränen. Er sagte ihr nur, dass es, solange er lebe, keine Tochter gäbe. Jede Tochter sei ein Opfer an die Götter. Das sei von ihnen so vorherbestimmt. Diesem Los könne er und auch sie sich nicht entziehen. Dafür sei sie frei zu tun, was sie wolle.
    Doch sie schwor, bei Artemis und bei allen Göttern, dass sie nie wieder mit ansehen würde, wenn auch nur eine ihrer Töchter getötet wird. Im Laufe der Jahre schaffte sie es, mit Angst und Bangen und immer mithilfe der Artemis , vier Töchter sofort nach der Geburt mit einer fremden Totgeburt auszutauschen. Die Götter wollten es so, dass sich wenigstens dies für sie fügte.
    Ihre Töchter wuchsen auf, heimlich, bei anderen Müttern, die sie als Geschenk ansahen, als Geschenk der Götter.
    Aleyna wusste, sie konnte sie nicht sehen, bis sie das Alter zur Arbeit hatten. Jetzt war der Augenblick gekommen. Sie holte ihre Töchter zu sich, erst zwei Töchter, dann vor wenigen Tagen die noch fehlenden zwei, die jetzt alle als Sklavinnen in dem Haus ihrer Mutter arbeiteten. Eine ihrer Töchter hatte die Gabe zur Schauspielerei, wie ihr Bruder, so verkleidete sich diese und ging mit ihrem Bruder diesem Talent nach. Ihre Mutter unterstützte sie und half allen, heimlich, wo sie konnte. Sie waren es gewohnt, heimlich zu leben. So funktionierte Aleyna ihr Leben lang. Angst wandelte sie in Härte, und sie hielt ihren Körper schön für den Mann ihrer Rache, kleidete sich, schminkte sich, glänzte an der Seite ihres Mannes, damit er mit stolz geschwellter Brust durch Athens Straßen spazieren konnte. Auch sie war eine Meisterin der Schauspielkünste. Die Bühne war ihr eigenes Haus. Sein ist Schein.
    Gimraios ließ sie walten, seinen schönen Schmuck, seine schönste Vase in seiner Sammlung, denn er meinte, sein Gewissen damit freizukaufen. Erleichtert war er jedes Mal, als er die Totgeburten sah, dass er sie nicht töten musste, doch stach er jedes Mal noch einmal zu, auf die eh schon Toten, um sicherzugehen. Er traute selbst dem Tod nicht.
    Sie alle, alle gemeinsam planten sie seinen Tod. Vier Töchter waren es, die ihren eigenen Tod rächen wollten und ihr Leben, das sie heimlich führen mussten. Aleyna, die Mutter war es, die ihre erstgeborene Tochter rächten wollte und das Leben ihrer vier Töchter. Der Bruder war es, der sich rächte für diese Ungerechtigkeit, die sein Vater hat ihn tragen lassen. Dafür, dass er seine Liebe anstelle seiner fünf Schwestern bekommen hatte. Nicht einmal diese eine Liebe schaffte es, dass er ihm genügte. Denn nur ein Geschäftsmann oder Krieger sei ein richtiger Mann und nicht ein Künstler, ein Schauspieler, der von Stadt zu Stadt zog.
    Beinahe kam es schlimmer als geplant, als Gimraios blind vor Wut auf die beiden Mädchen einschlug, mitten in ihre Gesichter, und auf den Bruder, der sich dazwischen warf, damit er sie nicht umbrächte in seinem Wahn und die Mutter, die versuchte, ihn festzuhalten.
    Die Gäste hörten dies, doch Gimraios war ein Meister des Verstellens, sodass sie zwar irritiert waren, doch nichts Ernstes vermuteten. Sie sahen Gimraios locker und entspannt, fast fröhlich auf seiner Liege sitzen, wieder voll in den Gedanken ihrer Gespräche. Sie sahen und sahen doch nicht, obwohl es direkt vor ihnen war. Denn auch Gimraios

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