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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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jedem Satz noch mehr in den Bann zog. Er genoss es, Kinder waren so unendlich dankbare Zuhörer. Auch wenn er diese Geschichte schon Hunderte von Malen erzählt hat, immer war er glücklich, mitten unter ihnen zu sitzen und ihnen etwas mitgeben zu können. Langsam erheben sie sich, und dann wird es auf einmal wieder laut, und sie reden wild durcheinander, über Gilgamesch und Enkidu , über die Dämonen und Ungeheuer, über Schlangen und das Unsterblichkeits-Kraut und, und, und.
     
     
    Auch er steht nun langsam auf, nimmt seinen Stock und geht auf Encheduanna-Kyr zu, und sie begrüßen sich freundlich. Sie umarmen sich mit ihren Augen, mit ihrem Lächeln füreinander. Denn mehr durften sie nicht.
    „Magst du etwas mit uns essen, dabei können wir ein wenig sprechen, darüber, was passiert ist in der Zwischenzeit. Auf dem Weg habe ich nur noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, aber ich würde mich sehr über deine Begleitung freuen“, lädt Encheduanna-Kyr ihn ein. Er freut sich darüber, sichtlich verlegen wackelt er unmerklich mit dem Kopf hin und her. Zunächst schweigend gehen sie nebeneinander her. Vorbei an einer Frau, die an ihrem Hauseingang sitzt und Schafswolle mit einer Handspindel spinnt.
    Sie gehen durch enge Gassen, fast überall ist geschäftiges Treiben. Hier und da Ziegen, Hühner, die ihnen um die Beine laufen. Vielerorts wird gehämmert, geklopft, am Haus gearbeitet, alte Häuser ausgebessert, neue Häuser gebaut, aus Sandstein, mit Lehmziegeln und Schilfmatten bedeckt. Hier in der Stadt werden die meisten Häuser mit Lehmziegeln gebaut, für die feuchter Lehm in eine rechteckige Form gegeben wird. Diese werden dann abgehoben und anschließend in der heißen Sonne getrocknet. Hinter der Stadtmauer und dem Bewässerungsring sind große Felder, auf denen die Ziegel in großen Mengen hergestellt werden. Lehmziegel isolieren hervorragend gegen die hohen Außentemperaturen. Die robusten und wasserfesten Ziegel werden dann in der Stadt in Öfen gebrannt. Verwendung finden diese aufwendigeren Ziegel beim Bau wichtiger Bauten, zum Beispiel bei der Verkleidung des Tempels oder an der Schutzmauer um die Stadt. Vor allem dienen sie dort zur Verkleidung, wo sie mit Wasser in Berührung kommen, wie in den Hafenanlagen und Befestigungsmauern.
    Sie überqueren eine Holzbrücke, die über einen kleinen Seitenarm des Euphrat führt. Dieser ist die Hauptzufuhr für das Bewässerungssystem in der Stadt.
    Welch ein Leben hier in den Gassen ist! Frauen rufen, Männer, Kinder schreien, singen, rennen anderen um die Beine.
    „Edle Encheduanna-Kyr , wann spielst du wieder für uns, bitte bald, sing uns deine Lieder…“
    Kinder drängeln vor ihr, hüpfen aufgeregt.
    „Bald, meine Lieben, bald – wer hat schon eine Flöte oder ein anderes Instrument?“
    „Ich – ich – ich!“, rufen sie durcheinander.
    „Ich habe eine kleine Harfe!“
    „Ich eine Rohrflöte!“
    „Ich auch!“
    „Ich eine Trommel“ –
    „Haha, das ist doch nur ein Topf, auf dem du immer trommelst.“
    „Nein, mein Vater hat eine Trommel und auf der spiele ich ganz oft.“
    „Ha, das glaube ich nicht, dein Vater schimpft doch den ganzen Tag mit dir, da…“
    „Halt, halt – ihr Lieben – jeder kann etwas mitbringen, mit dem man Musik machen kann, egal, ob es ein richtiges Instrument ist oder ein gebasteltes oder umfunktioniertes Instrument. Wichtig ist, dass ordentliche Töne herauskommen. Und das wichtigste Instrument scheint ihr alle zu besitzen…“ Encheduanna-Kyr schaut belustigt in die Runde. Alle schauen sich gegenseitig an und schauen etwas ratlos auf ihre Hände –
    „Na, ihr Lieben – natürlich eure feinen hübschen Stimmen!“
    Da lachen die Kinder und rennen im Pulk weiter und plappern dabei ganz laut über all die möglichen Instrumente, die sie so mitbringen können.
    „Es ist herrlich hier! Ich liebe diese Kleinen und ihre Begeisterung. Ich lasse sie so oft es geht an unseren Zeremonien teilhaben, so lernen sie spielerisch unsere Kultur und verlernen nicht ihren angeborenen Zugang zu den Göttern. Den Eltern gefällt es zwar manches Mal nicht, doch gegen meinen Wunsch oder meine Ansage dürfen sie nichts erwidern. Und wenn ich auch sie mit einbeziehe, ist der häusliche Frieden wiederhergestellt. Mit Musik geht es immer am leichtesten. Musik verbindet“, erklärt Encheduanna-Kyr und lacht dabei. Wie schön und glücklich sie aussehen kann, es ist ein Segen, sie so zu sehen, nach allem, was er gehört

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