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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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Weisheit, durfte niemandem etwas davon verraten. Enki mochte aber Utnapischtim sehr gern, da er ein guter Mensch war, und so warnte er diesen mit einer List. Er redete gegen die Wand des Schilfhauses, in dem Utnapischtim schlief, und für diesen war es, als träumte er die Worte. Enki sagte ihm in jenem Traum, dass er ein großes Boot bauen sollte, nur für sich, seine Frau, seine Sippe und die Tiere der Steppe. Und niemandem durfte er etwas davon erzählen. Utnapischtim folgte Enkis Worten. Kaum, als das Boot fertig war, kam eine große Flut über das Land und überall war nur Wasser. Sieben Nächte und sechs Tage trieben sie auf dem Wasser und am siebten Tag, als noch immer kein Land zu sehen war, holte Utnapischtim eine Taube hervor, die aber kam wieder. Dann ließ er eine Schwalbe frei, auch sie kam wieder. Als er aber dann einen Raben schickte, kam dieser nicht wieder. Da wussten sie, dass Land in der Nähe war. Bald darauf strandeten sie auf einem Berg. Sie überlebten alle, und dafür wurden sie von Enlil , dem Sohn des obersten Gottes An , belohnt, und der Gott vergöttlichte Utnapischtim und seine Frau. Damit waren sie unsterblich.
    Genau das war es, weshalb Gilgamesch Utnapischtim aufgesucht hatte, er wollte auch die Unsterblichkeit erlangen. Utnapischtim stellte ihm eine Aufgabe. Wenn er diese bewältige, dann könne er ihm weiterhelfen.
    Der alte Mann trug Gilgamesch auf, den Schlaf zu überwinden, indem er sieben Tage und sieben Nächte wachte. Gilgamesch legte sich sogleich hin. Doch schlief er sofort ein, und als er am siebten Tag aufwachte, lagen sieben Brote neben seinem Lager, die die Frau von Utnapischtim jeden Tag frisch hingelegt hatte.
    Gilgamesch hatte es nicht geschafft. Aber Utnapischtim half ihm dennoch weiter und verriet ihm, wo er das geheimnisvolle Kraut finden konnte, das das ewige Leben bewirkte. Es wuchs an einer Stelle im Meer und Gilgamesch schwamm dorthin und tauchte, bis er es gefunden hatte und erntete das ganze Kraut. Mehr gab es nicht. An Land legte er sich erschöpft hin und schlief ein. Eine Schlange roch das betörende Kraut, welches neben ihm lag und aß es auf. Sogleich warf die Schlange ihre Haut ab, um sich zu verjüngen. Das kann sie nunmehr seit diesem Tag.
    Seine letzte Chance, dieses einzige Kraut, um unsterblich zu werden, war somit vertan.
    Dennoch, er hatte dabei etwas gelernt. Er hatte nach dem langen, beschwerlichen Weg, den er hinter sich hatte, erkannt, was seine Aufgabe war. Er hatte nun begriffen, dass er, wie alle anderen Menschen auch, sterblich ist, und dass man Unsterblichkeit nur mit großen Taten erlangen konnte. Also beschloss er, von nun an seine Untertanen gütig zu regieren und zu beschützen.
    Er ging zurück und begann sofort mit der Arbeit. Er ließ Uruk als eine blühende Stadt entstehen. Um die ganze Stadt ließ er eine gigantische Mauer bauen, so hoch, so lang und so dick, die größte Mauer, die es je gegeben hatte. Er baute den seit der Sintflut zerstörten Tempel wieder auf als höchsten Tempel für Innana . Mitten durch die Stadt ließ er einen Arm des Euphrat ziehen mit einem Netz von Wasserläufen. Auch um die große Mauer zog er einen Kanal, von dem viele kleine Arme abgingen und die Felder um die Stadt bewässerten, so wie es auch bei uns jetzt ist.
    Dies, meine hochgeschätzten Kinder, war die Geschichte des Königs Gilgamesch . Heldenmütig ist sein Wandel vom Tyrannen zum gütigen Landesvater, der sein Reich zu neuer, großer Blüte führte. Er ließ Wunderwerke errichten und machte sich damit unsterblich.“
    Sa-La-Na , der Geschichtenerzähler, steht auf und richtet seinen Umhang.
    „Und jetzt, ihr Lieben, geht alle wieder schön nach Hause. Ich danke euch, dass ihr mir so lange eure volle Aufmerksam geschenkt habt. Dies war Gilgameschs Weg des Erkennens. Ich denke, es müssen nicht immer die großen Taten sein, die wichtig sind. Wichtig für ein zufriedenes, gutes Leben sind eure vielen kleinen Taten, die ihr jeden Tag von neuem machen könnt, durch die ihr lernt und durch die ihr weiterkommt auf eurem eigenen Weg des Erkennens.
    Ich grüße euch alle von Herzen.“ Er hebt die Hand zum Gruß, führt sie zum Herzen und verbeugt sich in alle Richtungen.
    Die Kinder haben Mühe, aus der Geschichte aufzutauchen. Die ganze Zeit, während er erzählte, war es so ruhig, dass man hätte denken können, es sei kein Zuhörer da, aber es war eine riesige Schar Kinder um ihn versammelt, die gefesselt an seinen Worten hingen und die er mit

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