Das Vermaechtnis
Gottheiten Isis und Nephtys mit ihren in diesem Moment weit ausgebreiteten, wunderschönen schutzgebenden Flügeln und Isis zudem noch bekront mit Kuhgehörn und Sonnenscheibe, welche sie gern seit ihrer späteren Verschmelzung mit Hathor trägt. Er grüßt Osiris , den Gott des Jenseits, und schließlich Seth , den Gott der Wüste, des Chaos, aber auch Schutzgott, der allerdings eher etwas mürrisch dreinschaut.
„Hier und da würde ich es anders formulieren. In meiner Erinnerung sehe ich einiges völlig anders. Ich weiß, wie soll es auch anders sein, dass ich damit allein dastehe und so will ich zu diesem Thema schweigen und etwas sagen, wenn es sich zu sagen lohnt. Eines noch möchte ich jedoch ergänzen, denn man nennt mich auch den Gott des Metalls “, wirft Seth ein, mit einer Stimme, die eine etwas sonderliche Mischung aus Beleidigung und Stolz in sich trägt, dazu ein nunmehr fast friedlicher Gesichtsausdruck. Aber vielleicht war es auch schwierig, den Ausdruck eines Schu zu deuten, denn niemand hatte je ein solches Tier zuvor gesehen.
„Großer Seth , Recht hast du mit deinem Einwand. Auch ich möchte noch eine Ergänzung zu deinen Aufgaben und deinem Wirken beitragen, um dir gerecht zu werden. Denn zu sehr scheint mir deine chaotische Seite betont. Auch wenn sie ohne Zweifel existiert, so ist sie dennoch von herausragender Wichtigkeit. Oft ist sie vonnöten, wenn es an der Zeit ist, eine bestehende Ordnung zu ändern. Damit diese zerstört wird und auf dass etwas Neues wachsen kann.
Groß bist du an Kraft, nichts oder niemand ist stärker als der wütende Seth . Dies allein ist es, was dich im Amduat so außerordentlich wichtig erscheinen lässt, denn du hilfst mir wie kein anderer mit deiner unermesslichen Kraft und mit deinem Wissen um die starken, dunklen Kräfte. Nacht um Nacht stehst du mir zur Seite bei meiner letzten und schwersten Prüfung wider die ewige Dunkelheit. Ohne dich wäre ich in der Dunkelheit verloren und könnte die Nacht nicht überwinden“, spricht Re und Seth scheint sichtlich über sich hinauszuwachsen, denn gerade ihm tut es gut, auch einmal solche Worte zu hören, wurde er doch gar zu oft als grundböse dargestellt. Er wurde sogar meist eher gemieden, da sofort Angst aufkam, wenn er erschien. Aber so sind sie, die Götter. Jeder hat seine Aufgabe und ist zu etwas zunutze, im Angenehmen wie im Unangenehmen.
„Und nun“, stimmt Re mit einer kräftigen Stimme jetzt ein neues Kapitel an. Alle nehmen eine bequeme Position ein, da sie ahnen, in welch epischer Breite und Länge er dies erzählen würde. Er war ja schließlich auch der, um den sich alles dreht – alle drehten sich um ihn, ihn, die Sonne, den Gott der Sonne. Die logische Folge war, dass auch er sich um sich selbst drehte, was er überaus gern tat. Doch es gibt in Tameri nicht nur die Sonne an sich, sondern einfach alles war bekanntlich besetzt mit Gottheiten. Das war für alle praktischer und verständlicher.
Von allem geht eine Energie aus. Jede dieser Energien ist unterschiedlich und daher hat sie auch einen anderen Charakter. Die Tameri benannten all die unterschiedlichsten Energien mit einem Gott, dessen Namen und dessen Aufgabe bedingt durch die Eigenschaften seiner Energie. Oder Aspekt, so kann man es auch bezeichnen. Wie gesagt, jeder von uns ist zu etwas dienlich.
Und um den Faden wieder aufzugreifen, alle versammelten Gottheiten machen es sich also bequem, jede auf ihre Art, welches von weitem eher wie ein Göttergelage anmutet. Re gefällt diese zentrale Rolle wie immer – es sei ihm zu gönnen. Tags steht er hoch über allen, doch nachts durchfährt er Gefilde, durch die möchte nicht jeder fahren und schon gar nicht von Nacht zu Nacht die gleich Tour, die gleiche Finsternis, die gleichen Prüfungen, die gleichen Gefahren und die gleichen Ungewissheiten. So seien ihm seine Freude und sein Stolz überaus gegönnt. Er leuchtet umso mehr, da er sich ihres Wohlwollens sicher sein kann.
„Und nun, ihr großen Gottheiten von Tameri , beginne ich mit dem Amduat , dem großen Unterweltbuch, der Schrift des verborgenen Raumes oder auch Das, was in dem Duat ist.
Der Duat , wie ihr ihn bestens kennt, ist die Unterwelt oder auch das Jenseitsland, mit meiner nächtlichen Fahrt durch das Jenseits.
Zwölf Stunden weilt sie stets, jede Nacht aufs Neue, nicht mehr und nicht weniger. Ihr wisst, die große Himmelsgöttin Nut verschlingt mich des Abends, genau zu dem Zeitpunkt, zu dem ich mein höchstes Alter
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