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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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sie stehen mit den anderen nach dem Tode weiterlebenden Pharaonen. Doch ich konnte nichts tun, denn ich hatte meine Rolle zu spielen, die wichtiger war als all meine Gedanken um meine Gottestochter. Irgendwann waren die plagenden Gedanken weg.“ Da es wieder so scheint, als würde er sich vom eigentlichen Thema entfernen, holt Isis ihn mit einem schlichten, aber milden:
    „ Amun-Re , nun ruf’ sie endlich! Die Zeit ist jetzt! Wir werden dir den nötigen Raum dafür schaffen und uns dezent im Hintergrund halten, so, wie es passt. Ruf sie!“, wieder zurück zum Punkt.
    Amun-Re lächelt:
    „Es ist so wie damals, vor allem auf meiner Reise durch die Unterwelt. Mein Vertrauen zu euch Göttern ist ungebrochen, trotz aller steten Veränderungen, durch die wir gingen oder, besser gesagt, durch die wir geschickt wurden. Ein Vertrauen, Millionen Mal erprobt!“
    Amun-Re atmet tief durch und spricht, klar und deutlich:
    „So rufe ich Gimra-Hatschepsut !
    Gimra Hatschepsut , ich bitte dich zu mir, wenn du möchtest!“
     
    Stille im Reich der Götter. Warten. Spannung in der Luft. Um Amun, Amun-Re, Re , in all seinen Aspekten, so alt und weise er war, ein ganz leises Knistern um ihn ist zu vernehmen. Sie alle nehmen es wahr, denn sie kennen ihn. Das Zeichen allerhöchster Spannung. Das ist sein Thema und die Götter stehen zu ihm. Warten. Selbst Isis hält aus. Schweigt. Wartet mit.
     
    Und da ist sie, zunächst nur schwach zu sehen, dann immer deutlicher, erscheint sie inmitten der Gottheiten Tameri s. Ohne zu zögern, ohne Scheu, lässt sie mit offenen Augen ihren Blick schweifen, von einer Gottheit zur andern. Sie lächelt, denn sie erkennt sie. Bei Amun-Re bleibt ihr Blick haften. Ernst, liebevoll, spricht sie zu ihm:
    „Lange habe ich darauf gewartet, dass du mich rufst. So ist es mit der Zeit, für einen, der wartet, ist sie endlos. Für einen, der sich sehnst, schier unendlich, und nun ist mir, als sei es gestern gewesen, dass ich dieses wunderbare Land Tameri regieren durfte. Dank dir.“
    So spricht sie, ohne Wut, ohne Trauer, ohne Vorwurf. Geradeheraus.
    Amun , denn der Gott war er zu ihrer Zeit, geht auf sie zu und kommt ganz gegen seine Art sofort und ohne Umschweife zu dem lange auf ihm lastenden Punkt:
    „Große Gimra-Hatschepsut , verzeih mir, dass ich mich von dir abgewendet habe, dass ich dich deinem Schicksal überlassen habe, dass ich zugelassen habe, dass du schwach wurdest, sodass sich Krankheit bei dir einnisten konnte. Ohne Regung sah ich zu, wie du zu Osiris wurdest, langsam, qualvoll, und allein. Das ist schwer zu verzeihen.
    Daher habe ich dich heute gerufen und ich weiß, es hätte schon viel früher sein müssen. Um dich um Verzeihung zu bitten, um Frieden zu schließen, mit dir, mit mir. Verzeih mir meine menschlichen Gefühle, die Eifersucht, die mich packte und nicht mehr losließ. Blind war ich, doch es hat mich gelehrt. Denn auch wir Götter lernen. Gelehrt hat es mich, tiefe Empfindungen zu spüren, die zerstören können, die in dem vollen Bewusstsein der gekränkten Eitelkeit zerstören, obwohl sie wissen, dass es nicht recht ist.
    Immer, wenn sich meine innere Stimme der Gerechtigkeit oder auch die Stimme, die sagte, „Steh über diesen Dingen“, gemeldet hat, habe ich sie laut lachend als weich beiseite geschoben. Denn ich bin der große Amun , nur ihn hattest du zu lieben. So war ich und konnte nicht anders.
    Doch du, Gimra-Hatschepsut , du hast dich nicht abgewendet. Du wurdest verletzt und allein gelassen, trotzdem hast du mir nicht gezürnt. Du hast den Fehler in dir gesucht und dich dafür bitter bestraft. Ich habe dich als Göttin gesehen, nicht mehr als Mensch, der lieben darf. Ein Mensch, der Gott oder Götter lieben darf, genauso wie seinesgleichen, natürlich.
    Auch heute noch sehe ich dich so. Nur eine Gottesgleiche kann in solcher Größe vor mir stehen, nach all dem was geschehen ist. Ich spüre deine klare und reine Liebe wie damals. Ich danke dir, liebe Gimra-Hatschepsut . Ich durfte lernen, durch dich. Und durfte lieben, durch dich. Du bist meine große Lehrerin.“
    Gimra-Hatschepsut steht ruhig vor Amun , lächelt dankend und spricht:
    „Mein großer Göttervater und Gottgemahl Amun , es gibt nichts, das ich dir verzeihen müsste. Ich hatte mich für ein Leben als Pharaonin entschieden, das war meine Bestimmung. Doch ein Pharao ist nicht Mensch und nicht Gott, denn er darf nicht leben wie ein gewöhnlicher Mensch. Das Volk soll zu ihm aufschauen. Er soll sich

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