Das Vermaechtnis
dürfen. Ich weiß, ich durfte es nicht.
Uns zu sehen, muss für dich mehr als schmerzlich gewesen sein. Ich hoffte stets, du würdest über seinen Körper zu mir kommen, doch es war ein Traum, der nicht in Erfüllung gehen konnte, denn es gehörte nicht zum göttlichen Plan, nicht zu Ma’ats aufgestellter Göttlichen Ordnung . Es war das egoistische Denken einer Frau.
Ich verletzte sie. Die Ordnung. Es tat mir unendlich leid. Ich hab dafür die Strafe angenommen. Du, großer Amun , hast dich abgewendet und mein Glück zerbrach, langsam, qualvoll. So ist es gewesen und so sollte es sein. Ich habe damit Ma’at wieder erfüllt. Mein Königsgemahl kümmerte sich um mich bis zuletzt. Es fiel mir schwer, aber ich nahm es an, dankbar“, spricht sie, doch sie klingt nicht traurig. Alle merken, dass sie mit sich und Ma’at im Reinen ist und nun auch ausgesprochen mit Amun .
„ Burgon-Thutmosis III ließ dich standesgemäß mumifizieren, göttliche Gimra-Hatschepsut “, erklärt ihr Ma’at , die damit sichtlich für einen Kreislauf im Sinne der Göttlichen Ordnung sorgt, auch, um Gimra-Hatschepsut mit allem zu versöhnen, in ihrem irdischen Leben und auf ihrem Weg in das Reich des Osiris zu ihrem ewigen Leben.
„Und schließlich ließ er dich feierlich und standesgemäß neben deinem Vater bestatten.“
„Ich danke dir Ma’at , es ist schön zu hören, dass mein Körper einen friedlichen und damit sicheren Übergang ins Jenseitsland hatte. Ich dachte es mir, doch ich wusste es nicht genau. Frieden umgibt mich. Ich danke euch und werde jetzt wieder gehen. Ich danke allen, und ich danke dir, geliebter Gottvater und auch einmal Gottgemahl Amun . Ich gehe in Liebe, und wir werden uns sehen auf deiner nächtlichen Reise. Ich werde froh sein, dich jede Nacht zu sehen.“
Mit diesen Worten verschwindet sie langsam. Der Schleier ihrer Erscheinung löst sich auf.
Stille im Götterhimmel.
„Ach Gimra-Hatschepsut , was hatte sie für ein einsames Ende, wie grausam bin ich zu ihr gewesen! Totaler Liebesentzug, das war es, an dem ist sie gestorben. Das hat ihr die Kräfte geraubt und Krankheit hielt Einzug in ihren Körper. Gegen diese wollte sie nicht kämpfen und gab sich ihr hin. In ihrem Leben sah sie keinen Sinn mehr, weil ich mich von ihr abgewendet habe – oh, dies beklage ich immer wieder aufs Neue, trotz dieses wundervollen Wiedersehens, trotz ihrer so natürlichen, freundlichen, vollkommen vorwurfsfreien, göttlichen Worte – wie konnte ich nur!“
„Großer Amun-Re , komm wieder zurück, du verlierst dich… Es ist vorbei. Sie ist mit sich im Reinen, du hast es selbst gesehen und gehört! Nun ist es an dir, dies endlich anzunehmen und auch deinen inneren Frieden zu schließen. Auch ein Gott kann sich selbst verzeihen. Alles hatte seinen Sinn, das weißt du. Letztendlich hatte sie auf ihre Weise ein Leben, das zwar kurz, aber intensiv und wunderbar war. Ein Leben voller Höhen und Erfolge. Heißt es nicht: Die Zeit und das Leben des Königs sind von unendlicher Dauer? Seine Grenzen sind die Ewigkeit. Hier seid ihr euch noch viel näher als zuvor…“, und lächelt ihn dabei kokett von der Seite an.
„Wie meinst du das, es ist doch mein gutes Recht und auch meine Pflicht, mich um die Verklärten zu kümmern und erst recht um die verklärten Pharaonen. Aber, was erkläre ich hier – du schaffst es immer wieder, mich in Verlegenheit zu bringen, sodass ich für einen kurzen Moment nicht Herr meiner Göttlichkeit bin, liebste Isis . Das ist ganz wie zu Hathors Zeiten, aber das ist ein anderes Kapitel – und nun will ich endlich weitererzählen… Schließlich ist jetzt die Göttliche Ordnung vollends wiederhergestellt“, erklärt er sich kurz, fegt damit alle störenden Gedanken hinweg und fährt fort:
„Ohne uns unzähligen Götter war kein Tag in Tameri denkbar. Ein riesiger Stab an Priestern kümmerte sich Tag und Nacht um unser Wohlergehen. So gut wie in dieser Zeit ging es uns auf keinem Fleck der Erde. Man bedenke die wunderbaren Opferungen: Gebratenes, Gesottenes, Wein, Bier, reinstes Wasser, Obst, Honig, wunderbarste Gerüche – ein Fest unserer göttlichen Sinne. Den ganzen Tag Huldigungen, schöne Klänge, liebevolle Gebete, Bitten, ohne Ende. Üppigste Feste – nur für uns –um uns zu gefallen, um uns milde zu stimmen. Natürlich nicht ganz ohne Selbstzweck. Sie erhofften sich reiche Ernten, gutes Wetter, Siege, Gesundheit, viele Nachkommen, Reichtum und alles, was das Herz eines
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