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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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ihn war dieses Fest ein wichtiges Ritual.
    Ich sehe ihn noch vor mir, den ersten Festzug, der von deinem Tempel in Karnak vom ersten Pylon an über die Widder-Hu-Allee , in deren mächtigen Gestalt du dargestellt wurdest, bis in den Tempel von Theben führte.
    Allen drei Gottheiten, Mut , Chon und dein Abbild, jede wurde auf seiner Barke getragen, dahinter kam ich, dann die Priester, Familienangehörige und die Opfertiere. Die Prozession wurde begleitet vom jubelnden Volk, von Sängerinnen, Tänzerinnen und fröhlicher Musik. In Theben angekommen wartete das Volk vor dem Tempel. Mut und Chon wurden in ihre Kapellen hinter dem Säulengang getragen. Du, großer Amun , du wurdest in dein Allerheiligstes gebracht, um dich dort mit meiner Mutter zu verbinden. Sie konnte dadurch die Lebenskraft Ka wiedergebären, mit der ich mich, nachdem ich das Allerheiligste betrat, verband und die göttliche Kraft mich durchströmte. Nach diesem Ritual der Erneuerung der göttlichen Kraft des Pharao erschien ich als Tochter des Amun vor den Versammelten. Das war das Bild, von dem du erzähltest. 
    Nach der Verkündung meiner Namen gingen die Festlichkeiten weiter. Die mit Blumenkränzen geschmückten und von mir geweihten Opet-Stiere wurden dir geopfert, auch Blumen und Weihrauch, welchen ich vor allen Schreinen verräucherte. Die Barken wurden zum Nil getragen, wo sie unter der jubelnden Begleitung des Volkes am Ufer zurückgebracht wurden nach Karnak . Das Fleisch der Stiere wurde verteilt, Essen, Karaffen mit Wein und Bier für das Volk herbeigeschafft. Es wurde gegessen und getrunken, getanzt, gesungen und gelacht. Nach diesem Fest wussten alle, dass das königliche Amt ein weiteres Jahr unter dem Schutz der Götter stand.“ Gimra-Hatschepsut strahlt eine Begeisterung aus, dass alle Zuhörenden auch davon überzeugt sind, dass der Schutz der Götter mehr als gerechtfertigt war. Amun spricht weiter mit gerührter Stimme: 
    „Nach diesem ersten wundervollen Opet-Fest öffnete ich für dich das Land Punt . So sehr liebte ich dich. Es waren bereits Expeditionen lange vor deiner in dieses Gottesland mit dem Myrrhegebirge, vor mehreren hundert Jahren durchgeführt worden, aber nun war die Zeit für dich bereit. Ich trug dir auf, Himmel und Erde mit dem köstlichen Duft des Weihrauchs zu erfüllen. Du erfülltest es. Du hattest uns schon an diese erfolgreiche Expedition erinnert und sie auch in meinem Tempel in Deir el-Bahari verewigt.“
    „Dabei fällt mir eine meiner liebsten Arbeiten ein – im Lebenshaus des Tempels, im Haus der Buchrollen . Ein wunderbarer Ort – alles Wissen wurde dort aufbewahrt. Wäre ich nicht Pharaonin geworden, wäre ich Priesterin mit dem Spezialgebiet Tempelarchiv, einer wahren Schatzkammer des Wissens. Buchrollen über Buchrollen, alle sorgsam aufbewahrt in den unzähligen kleinen Räumen mit unzähligen Nischen. Das Studieren der Papyri half uns, die Expedition anhand alter Berichte zu planen und zu organisieren.
    Ich übergab Ushlaran-Senenmut den Auftrag für den Bau meines, deines Tempels, mit deinem Allerheiligsten tief im Felsen gelegen, damit du dort in Frieden ruhen konntest. 
    Es war für mich eine so friedliche, erfolgreiche Zeit, für die ich dir von ganzem Herzen danke, großer Amun . Ich habe Träume erfüllen können, meine Träume wurden umgesetzt, für dich. Ich ließ mein Volk an dem steigenden Wohlstand Tameri s teilhaben. Dafür liebten sie mich. Es ist ein betäubendes Gefühl, von allen geliebt zu werden und damit zu wissen, dass man das richtige tut, im Sinne der Ma’at . Alle Götter waren mir wohlgesinnt. Die jährlichen Überschwemmungen des Hapi , der Gott des Nil, der den Nil für die jährlichen Überschwemmungen in Bewegung brachte, trafen pünktlich ein. Der Nil erfüllte das Land mit seiner Fruchtbarkeit. Ich erschien in meiner Schönheit, Gesundheit und Lebenskraft vor meinem Volk. Sie jubelten mir zu als deine Tochter.
    In diesem Zustand des immerwährenden Glücks und vollkommenen Vertrauens in mein Glück war es umso furchtbarer für mich, als alles in sich zusammenbrach.
    Ein einziger Ausbruch meiner fraulichen Gefühle. Eine einzige Überschreitung der göttlichen Grenzen. Genau eine Überschreitung zuviel! Ja, ich liebte ihn und sehnte mich nach seiner Nähe, nach seiner Zärtlichkeit, so wie er sich nach mir sehnte und nicht durfte.
    Es war uns verboten, doch einmal Mensch zu sein, einmal zutiefst zu lieben und es auch mit allen uns gegebenen Sinnen fühlen zu

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