Das Vermaechtnis
ab und entwand ihm ihre Hände. „Ich hab dich enttäuscht – ja, ich hab einen Fehler gemacht, aber ich sag dir eines: Ich musste eine Entscheidung treffen! Eine verflucht schwere Entscheidung, Payton! Du stellst dich hier als Opfer hin, dabei war es doch deine eigene Wahl, dich an dem Massaker zu beteiligen. Du hast selbst zu verantworten, diesen Fluch auf dich geladen zu haben!“
Wütend wischte sich die Frau seines Herzens eine Träne aus dem Gesicht und starrte an ihm vorbei. Payton wünschte, es wäre einfacher, aber die Angst vor der Zukunft – einer Zukunft, die in Gefahr war, schwebte wie ein Schwert über ihnen, und Sam ahnte es noch nicht einmal.
Schweigend saßen sie nebeneinander, hofften auf ein gutes Ende, welches so ungewiss war wie ein regenfreier Tag in Schottland. Schließlich hielt Payton es nicht länger aus und rückte näher. Er legte seine Arme um ihre Schultern und streichelte ihren Arm, bis er spürte, wie sie sich entspannte. Als sie ihren Kopf gegen seine Brust legte, flüsterte er:
„Du, Sam, wenn ich dir etwas wirklich Unglaubliches erzählen würde, würdest du mir glauben?“
Ich versteifte mich in seinen Armen, wandte aber meinen Blick nicht von den Dächern der Stadt ab, während ich versuchte, meinen Puls ruhig zu halten. Payton musste wissen, welche Erinnerung seine Worte in mir weckten. Erinnerungen an einen anderen Tag, einen anderen Berg und ein anderes Gespräch, welches wir geführt hatten – und welches alles verändert hatte. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich hören wollte, was er zu sagen hatte, nickte ich.
„Das kommt darauf an, was es ist. Sag es doch einfach, dann sage ich dir, ob ich dir glaube.“
Payton lachte, und sein warmer Atem kitzelte meinen Nacken.
„Nein, so geht das nicht“, erwiderte er genau wie damals, und ich musste ebenfalls lachen.
„Die Frage ist doch, warum du mir nach all unseren unglaublichen Erlebnissen ausgerechnet jetzt etwas erzählen solltest, was nicht stimmt? Da es also keinen Grund gibt, mich anzulügen, gehe ich davon aus, dass du die Wahrheit sagst. Wie immer wären Beweise sehr hilfreich, aber da ich dich liebe, vertraue ich dir blind!“
Payton hauchte mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange und drückte meine Hände. Seine Wärme durchströmte mich, und ich wünschte, die Welt würde stehen bleiben. Wenn wir doch nur für ewig in diesem Moment leben könnten. Ohne den Schmerz der Vergangenheit und ohne die Ungewissheit der Zukunft.
„Ich liebe dich auch, mo luaidh – aber … ich muss dir etwas erzählen.“
Sein Ton hatte nichts mehr von dem leichten Geplänkel von eben, und ich ahnte, was nun kam, konnte alles verändern.
Kapitel 4
Burg Galthair, heute
Das Streichholz erlosch, und ein dünner schwefeliger Rauchfaden stieg auf. Das flackernde Licht der beiden Kerzen auf dem steinernen Altar der Kapelle der Burg ließ Alasdair Buchanans markantes Gesicht noch eindrucksvoller erscheinen. Entschlossenheit hatte sich in seine Züge gemeißelt, und, so selbstverständlich, wie er seine Hände auf den Altar stützte, hätte niemand vermutet, dass er heimlich hierhergekommen war.
Nachdem er im letzten Herbst zusammen mit Cathal Stuart, seinem ehemaligen Anführer, aus Delaware zurückgekommen war, hatte er gehofft, auf Burg Galthair seinen Schmerz über Nathairas Tod lindern zu können.
Alasdair hatte, in Verzweiflung aufgelöst, das runde Turmzimmer betreten und sich wider besseren Wissens der Hoffnung hingegeben, Nathaira dort anzutreffen. Was er jedoch vorfand, machte ihn rasend vor Wut. Nathairas ehemals so ordentlich aneinandergereihte Bücher und Schriften waren aus den Regalen gerissen, lagen achtlos am Boden verstreut. Schubladen waren herausgezogen und durchwühlt, ebenso ihre Schmuckschatulle, deren kostbarer Inhalt sich über den Waschtisch und den bordeauxroten Teppich ergoss. Selbst die Gemälde an den Wänden hingen schief, als habe jemand dahinter nach einem versteckten Fach gesucht. Die McLeans hatten bei ihrer Suche nach einem Hinweis nach etwas, das Nathairas Fluch über Payton brechen könnte, alles durchsucht.
Vorsichtig stieg er über die Bücher hinweg, bückte sich nach einigen der ledergebundenen Schriften und legte sie behutsam auf die dunkle Tischplatte des Schreibtischs. Seine Handfläche glitt sanft über das glatte Holz.
In diesem Raum hatten sie sich vor Hunderten von Jahren, in den ersten Wochen ihrer jungen Liebe, heimlich getroffen. Noch nach all der
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