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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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Leid. Beinahe hätte ich nicht geglaubt, dass sie genau wie Payton zur Gefühllosigkeit verflucht war, so lebendig wirkte diese tiefe Traurigkeit.
    Hatte sich das Leid so tief in ihr Wesen hinein gebrannt, dass es selbst der Fluch nicht zu überdecken vermochte?
    „Warum bist du hier, wenn du mich nicht töten willst?“
    Nathaira warf einen Blick hinüber zur Burg und lenkte ihr Pferd an mir vorbei.
    „Lass uns ein Stück reiten, Samantha“, schlug sie vor und verließ den Weg in Richtung Westen, ohne darauf zu warten, ob ich ihr folgte.
    Das musste sie nicht, denn ich hatte mich längst entschieden. Es war ihr vorherbestimmt, den Fluch, den Vanora über sie alle gesprochen hatte, durch ihr Handeln zu brechen. Wenn ich nicht wollte, dass dies erst in zweihundertsiebzig Jahren geschah, war es hilfreich, zu wissen, was sie bewegte. Wer war diese Frau, und warum war es uns bestimmt, gegeneinander anzutreten?
    Das Pferd des Vikars zögerte, als ich ihm die Fersen in die Flanken schlug, damit es Nathaira über den kleinen Graben am Wegesrand hinweg folgte. Der Himmel war noch immer wolkenverhangen, und kein Mensch würde bei der Aussicht auf ein drohendes Unwetter die Burg verlassen. Die Hexe hatte also dafür gesorgt, dass wir ungestört sein würden – bei was auch immer.

Kapitel 16
    Auld a´chruinn, 1741
    Nach dem Fußmarsch vom Gedenkstein der Schwestern in den Ort Auld a´chruinn hatte sich Paytons Wut auf Samanthas kopfloses Verhalten etwas gelegt. Er war ja selbst schuld, denn erst durch seine Zweifel an der Kraft und Beständigkeit ihrer Liebe hatte er sie dazu getrieben, ihr Zuhause und ihre Zeit zu verlassen. Und nun, da er die Schrecken der Zeitreise am eigenen Leib erfahren hatte, wusste er Samanthas Bereitschaft, für ihn diesen qualvollen Weg zu gehen, ganz anders zu schätzen. Nicht, dass er es vorher weniger geschätzt hatte, aber etwas zu ahnen oder es selbst zu erfahren, war doch etwas anderes.
    Die Hütten des Ortes vor ihm waren ihm vertraut und doch vollkommen fremd. Es war so lange her, dass er Orte wie diesen gesehen hatte – und noch viel länger, dass er etwas dabei empfunden hatte. Die Vergangenheit war etwas, das er am liebsten ganz aus seinen Erinnerungen gelöscht hätte, denn sie war ihm viel zu lang erschienen. Selbst heute, wo der Fluch hinter ihm lag, gab es den Schatten in seiner Seele, der sich nicht verzog, der auch in Momenten der Freude immer verhinderte, dass er wirklich glücklich war.
    Es war, als begäbe er sich auf eine Reise in seine Seele – als ginge er geradewegs hinein in den Schatten.

    Ich schloss zu der Frau mit dem nachtschwarzen Haar auf und versuchte zu ergründen, was ihre Absicht war. Was hatte sie vor? Konnte ich ihr trauen? Nein, sicher nicht, aber meine Neugier siegte über meine Vorsicht.
    „Wer bist du?“, fragte sie, und ich hob überrascht die Augenbrauen.
    „Du kennst mich“, hielt ich mich mit meiner Antwort bedeckt. Ich hatte gedacht, sie wüsste alles über mich. War ihre Frage eine Falle?
    „Das sollte ich wohl, denn der Wind erzählt mir seit Langem von dir. Er hat mich heute zu dir geführt.“
    Na klar! Der Wind!
    „Und was erzählt er dir so? Der Wind!“
    Nathaira lachte über meinen herablassenden Ton und hob die Arme. Sofort blähte sich mein Kleid unter einer eisigen Bö, und ein bläulicher Blitz entlud sich über uns.
    „Spotte nicht!“, warnte sie mich, fuhr aber sogleich friedlich fort: „Du unterschätzt die Mächte der Natur. Aber du hast recht. Der Wind gibt mir Rätsel auf – zumindest, wenn es um dich geht. Er sagt, du bist mein Untergang und … dass du mir die Liebe bringst.“ Sie lachte kehlig, und der Schmerz, der darin mitschwang, war beinahe greifbar.
    „Er lügt, dein Wind!“
    „Du bist nicht mein Untergang?“, fragte sie wenig überzeugt, und diesmal lachte ich.
    „Doch.“ Ich sah deutlich vor mir, wie sie am Boden des Motels lag und Sean ihr seinen Dolch ins Herz stieß, um sie zum Schweigen zu bringen. „Aber ich bringe dir keine Liebe.“
    Nathaira nickte, und ihre Augen verdunkelten sich, so, als würde eine Tür, die nur angelehnt war, endgültig geschlossen.
    „Natürlich nicht. Du kannst mir nicht bringen, was mir seit Langem genommen. Und es ist auch nicht nötig – ich empfinde nichts mehr. Liebe wäre ein Gefühl, das ebenso wie alle anderen vergeudet wäre. Du weißt, wovon ich spreche, nicht wahr?“
    „Der Fluch?“
    Sie sah mich an. Versuchte zu ergründen, was ich wusste, ehe sie

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