Das Vermaechtnis
verschwand, dabei aber eine Leere hinterließ, die weit quälender war als die brennende Pein, die ihn im gestreckten Galopp aus Craig Liath Wood hatte fliehen lassen.
Ich erwachte und fühlte mich steif wie ein Brett. Jeder Muskel in meinem Körper schien mit mir auf Kriegsfuß zu stehen. Vorsichtig ließ ich die Schultern kreisen, um die Verspannungen zu lösen, und wackelte versuchsweise mit den Zehen.
Au!
Der Eimer für das hereintropfende Regenwasser war während der Nacht übergelaufen, aber zumindest waren Kleid und Arisaid am Kohlebecken getrocknet. Allerdings hatte der Schlamm den Saum hässlich und dunkel verfärbt.
„So ein Mist!“
Auch wenn es lächerlich war, hatte ich mir doch insgeheim erhofft, Payton in einem schönen Kleid gegenüberzutreten und ihm mit meinem Anblick die Füße wegzuziehen. Ich dachte, er würde mich sehen und mich im ersten Moment für ein Wesen aus seinen Träumen halten!
Wütend rieb ich den Saum zwischen meinen Fingern, aber da war nichts mehr zu machen. Ohne eine Fee würde ich mich nicht in eine ansehnliche Prinzessin verwandeln können – und, wenn ich schon dabei war, ganz Cinderella-like, Wünsche an nicht vorhandene Feen zu äußern, wäre eine Kutsche auch nicht schlecht.
Ich steckte mir gerade den Dolch an meinen provisorischen Gürtel, als eine Fee – in Gestalt der Wirtin – an meine Tür klopfte. In ihren Kleidern hing noch der Geruch des Wildbrets von gestern und auf ihrer Schürze waren feuchte Teigflecken. Sie stellte einen Krug Wasser neben die Waschschüssel und wischte sich die mehligen Hände an der Schürze ab.
„Mädel, wie schnell kannst du dich fertig machen? James hat gesagt, du willst weiter in den Süden. Der Vikar hat ein Pferd und einen Esel – er kann dich ein Stück mitnehmen.“
Na schön, ein Esel war keine Kutsche, aber ich würde mich sicher nicht beschweren.
Ehe ich mich versah, saß ich auf dem Rücken des Esels und befand mich in Gesellschaft von Vikar Thomas Sutter auf dem Weg nach Burragh. Auf dem Weg zu Payton!
Kapitel 15
Der Wind sprach wieder zu ihr. Aber sein Wispern ergab keinen Sinn. Dennoch war Nathaira Stuart an diesem Morgen seinem Ruf gefolgt. Wie so oft würde sie verstehen, wenn die Zeit dafür gekommen wäre. Sie saß wie eine Königin auf dem Rücken ihres Pferdes. Ihr nachtschwarzes Haar peitschte im Wind, und ihr dunkelgraues Samtkleid schimmerte im Sonnenlicht wie nasse Flusskiesel, als sie sich in den Steigbügeln aufrichtete und den Horizont absuchte.
Der Wind, der die Wolken mit sich brachte, focht über ihr einen Kampf gegen die Strahlen der Sonne, wie die Stimme in ihrem Ohr ihr von Neuem und Altem, von Liebe und Hass flüsterte.
Nathaira kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Überrascht hoben sich ihre Augenbrauen, und sie sah sich verstohlen um, ehe sie die lange, gebogene Klinge ihres Sgian dhu zog und ihr Pferd in die Büsche seitlich des Weges lenkte.
Die unermüdliche Singstimme des Vikars, der ein Kirchenlied nach dem anderen zum Besten ab, wurde nur vom gelegentlichen unzufriedenen Röhren des Esels übertönt. Das störrische Tier hatte schon mehrfach versucht, meinen Rocksaum zwischen die Zähne zu bekommen, und sich dann schlicht geweigert, auch nur einen Schritt weiter zu gehen, als ich mein Kleid in Sicherheit gebracht hatte. Erst die Bestechungsversuche mit Rüben des Vikars versöhnten das dumme Packtier wieder. Allerdings hatte der Gottesmann nach einem halben Tag schon keine Karotten mehr, und vor wenigen Meilen war uns schließlich nichts anderes übrig geblieben, als unsere Reittiere zu tauschen. Nun kaute der Esel genüsslich den Saum der Kutte des Vikars, ging dafür aber ohne zu bocken weiter, während ich auf dem Pferd folgte.
Ich überlegte gerade, wie man so einem sturen Tier beikommen konnte, als die mir vertrauten Mauern von Burg Burragh vor uns auftauchten.
Die Erleichterung, es tatsächlich bis hierher geschafft zu haben, mischte sich mit der Angst vor Paytons Reaktion. Würde er mich überhaupt sehen wollen? Wenn es stimmte, dass er mit seinem Schicksal haderte und mir Vorwürfe machte, wäre es immerhin möglich, dass er mich nicht würde sehen wollen.
Entschieden drängte ich den Gedanken beiseite. Alles Unsinn. Natürlich würde er mich empfangen, immerhin war ich hier, um meine Schuld wiedergutzumachen. Ich war hier, um den Fluch zu brechen, ehe er zu weiteren Jahrhunderten ohne
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