Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
Vom Netzwerk:
Emotionen verdammt war.
    Die uneinnehmbaren Mauern wuchsen immer weiter in den Himmel, je näher wir kamen. Meine Augen suchten bereits nach Payton – auf den Wehrmauern, hinter den Fenstern des Wohnturms … und auf dessen Spitze, seinem Lieblingsplatz, von dem aus er das ganze Umland überblicken konnte. Wenn er jetzt dort oben stünde …
    Ich strich mir das Haar glatt und checkte meine Aufmachung – nur für den Fall, dass er mich vielleicht wirklich beobachtete.
    So versunken in meine Vorfreude bemerkte ich das Pferd nicht, das so unerwartet unseren Weg kreuzte, dass dem Vikar sein Lied im Hals stecken blieb.
    „Mylady!“, grüßte er erschrocken und riss den Esel so hart am Zügel, dass der lauthals röhrend rückwärtstänzelte, was mich schließlich aus meinen Gedanken riss.

Der silberne Glanz einer Klinge war das Erste, was mir ins Auge fiel, ehe ich realisierte, wer uns so kurz vor meinem Ziel aufgehalten hatte.
    „Nathaira Stuart“, flüsterte ich überrascht und griff wie von selbst an meinen Gürtel mit dem Dolch.
    Der Vikar, der ebenfalls misstrauisch auf das lange Messer in Nathairas Händen schielte, räusperte sich und verneigte sich unsicher vor der erhabenen Erscheinung.
    „Mylady, verzeiht“, stammelte er. „Ich hatte Euch nicht nahen sehen.“
    Sein verwirrter Blick glitt hinüber zu dem Buschwerk, aus dem die Hexe gekommen war, aber weder Nathaira noch ich schenkten ihm Beachtung.
    Es war, als wären wir allein. Als stünde die Welt still.
    Schlug mein Herz? Ich fühlte es nicht. Atmete ich – oder hielt ich die Luft an? War ich mit dem Rest der Welt zu Stein erstarrt, oder kam es mir nur so vor? Ich war im Blick ihrer grünen Augen gefangen, ebenso, wie sie sich in meinem verlor.
    Langsam lächelte Nathaira – und ich blinzelte. Die Welt drehte sich wieder.
    „Lieber Vikar Sutter“, sprach sie meinen Begleiter an, ohne ihn jedoch anzusehen. „Was für eine Freude, einen Diener Gottes hier in dieser ... gottverlassenen Gegend zu sehen. Sicher wollt Ihr nach Burragh.“ Ihre Stimme klang freundlich, aber dennoch war unverkennbar, dass sie dabei war, einen Befehl auszusprechen. „Reitet doch schon vor, ehe der Sturm losbricht.“
    Der Sturm? Gerade fragte ich mich noch, wovon zur Hölle sie da sprach, als der Wind auffrischte und sich dunkle Wolken über unseren Köpfen zusammenbrauten. Sutters von Natur aus wächserne Haut wurde noch blasser. Er bekreuzigte sich und starrte Nathaira mit großen Augen an.
    „Aber … aber, Mylady.“
    Es war offensichtlich, dass er Nathairas Vorschlag nur zu gerne gefolgt wäre, sich aber gezwungenermaßen für mich verantwortlich fühlte. „Ich trage Sorge für das Wohl dieser jungen Dame. Sie nach Burg Burragh zu geleiten, ist meine Pflicht.“
    Sein Blick sprang unruhig zwischen Nathairas noch immer gezücktem Dolch und der näher rückenden Unwetterfront hin und her. Der Wind riss an seiner Kutte, und der Esel röhrte.
    Auch mir fuhr der Wind unters Kleid und löste einzelne Strähnen aus meinem Zopf, aber ich fürchtete ihn nicht. Ich fühlte mich gut, so, als brauchte ich nur die Arme auszubreiten, um wie auf Flügeln davongetragen zu werden.
    Das war kein gewöhnlicher Sturm, das war mir klar. Die Fair-Hexen, zu denen auch Nathairas Mutter gehört hatte, waren wegen ihrer übernatürlichen Kräfte von den kriegerischen Clanoberhäuptern geraubt worden. Nathaira hatte einmal gesagt, sie hätte schon sehr früh die Kräfte ihrer Mutter in sich gespürt. Anscheinend wusste sie sie auch einzusetzen.
    Ich straffte meine Schultern. Obwohl ich mich meiner größten Feindin gegenübersah, die bewaffnet und zudem noch mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgerüstet war, empfand ich keine Furcht.
    „Sorgt Euch nicht um mich“, versuchte ich, den Vikar zu beruhigen. „Lady Nathaira und ich …“ Ich zögerte.
    War ich irre? Warum klammerte ich mich nicht an den Arm des Vikars und bat ihn, mich so schnell wie möglich hinter die sicheren Mauern von Burragh zu bringen? Warum zum Teufel hielt es mich hier, in der Gesellschaft dieser Mörderin? Ich fand keine Antwort, aber die Stimme in mir, die mich in den letzten Jahren immer wieder geleitet hatte, sagte mir, dass es nicht an der Zeit war davonzulaufen. Mit der nötigen Entschlossenheit, um den gottesfürchtigen Thomas Sutter loszuwerden, wiederholte ich meine Worte.
    „Lady Nathaira und ich sind uns … bekannt. Ich würde diese … überraschende Begegnung sehr gerne nutzen, um … unsere …

Weitere Kostenlose Bücher