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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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einem großen Zimmer.
    Nathaira hatte ihr Pferd schon festgemacht und sich auf einen Felsen gesetzt, während ich noch die ausgefeilte Architektur des Bauwerks bewunderte. Sie ließ mir Zeit, mich umzusehen, denn, auch wenn ich mich noch vor einem Jahr nicht wirklich für Geschichte begeistern konnte, fühlte es sich unbeschreiblich an, an so einem Ort zu sein.
    Diese Bauten waren älter als alle Burgen Schottlands, und ich konnte beinahe fühlen, unter welchen Bedingungen die Menschen hier einst gelebt haben mussten.
    „Wer hat das gebaut?“, fragte ich und knotete meinen Zügel an Nathairas Sattelknauf.
    „Das alte Volk. Hörst du nicht das Echo der Schreie der gefallenen Angreifer, die versuchten, diesen Broch einzunehmen? Spürst du nicht die Hoffnung der Menschen, diese Anlage möge sie schützen? Dieser Broch ist ein Ort des Friedens – uneinnehmbar – ein Ort der Sicherheit. Ich dachte, das würde dir gefallen.“
    Ich sah sie überrascht an. Das fahle Mondlicht versilberte ihre Erscheinung, und sie wirkte wie ausgewechselt. Friedlich und mit sich im Reinen.
    „Kommst du oft hierher?“, fragte ich daher und setzte mich auf einen Steinvorsprung in ihrer Nähe.
    „Nein. Ich war erst einmal hier. Zusammen mit Alasdair.“
    Ich zog meine Beine unter dem Kleid an meine Brust und lehnte mich gegen die Mauer. Ich fragte mich, ob jemals jemand versucht hatte, Nathaira wirklich kennenzulernen. Sie schien so einsam …
    Es gab viele Gründe, die Frau mir gegenüber zu hassen, und ich tat es auch – aber ich empfand auch Mitgefühl. Ich kannte den Tag ihres Todes – hatte ihn miterlebt und wusste, wie allein sie selbst in diesem letzten Moment ihres Lebens gewesen war. Niemand würde je um sie weinen – niemand außer Alasdair.
    „Er liebt dich, das weißt du, oder?“, fragte ich vorsichtig.
    Nathaira schlug die Augen nieder und presste ihre Lippen aufeinander.
    „Liebe ist etwas für Narren. In der wirklichen Welt ist kein Raum dafür.“
    „Was ist denn die wirkliche Welt? Wenn du es weißt, dann sag es mir, denn ich kenne mich nicht mehr aus. Ich gehöre nicht hierher, bin ja noch nicht einmal geboren. Ich habe dich sterben sehen, und doch sitzt du mir gegenüber. Und der Mann, der ein Narr sein muss, weil er dich liebt, schickt dir ein Geschenk aus einer Zeit, in der keiner von euch je hätte sein dürfen. Also, sag mir, Nathaira – Tochter der Hexe – was ist hier los?“
    Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber sie nahm wohl einige kleine Steine auf, denn ich konnte hören, wie diese in ihren Händen gegeneinanderschlugen.
    „Noch nie hat mich jemand Tochter der Hexe genannt. Niemand kennt dieses Geheimnis, und manchmal mag ich es selbst nicht glauben, auch wenn ich weiß, dass es stimmen muss, denn …“
    Sie hob die Hände, und Donner grollte über das Land. „Wenn du mich also so gut kennst, dann ist auch der Rest die Wahrheit?“
    Ich nickte.
    „Du hast mich sterben sehen? … Erzähl mir davon.“
    Scheiße, das war ja nun ein wirklich heikles Thema! Was sollte ich denn sagen? Du wolltest mich töten, und dann hat es am Ende dich selbst erwischt, weil du ein beschissenes Miststück bist? Das würde unter Umständen nicht so gut ankommen!
    „Du hast doch Visionen. Siehst du es nicht selbst?“
    „Ich kann nicht beeinflussen, was ich sehe. Ich weiß nur, dass ich dich auf unerklärliche Weise kannte, als ich dich in Fingals Halle zum ersten Mal sah. Ich wusste nicht, wer du warst, aber ich ahnte, du könntest wichtig sein, darum ließ ich dich nicht mehr aus den Augen.“
    Die Steine in ihren Händen klackerten. „Ross, dieser Dummkopf, hätte sich nicht in die Dinge einmischen sollen …“
    Ich schluckte. Ross – an ihn und seinen Tod wollte ich jetzt wirklich nicht denken. „Vielleicht ist dir nicht bestimmt zu wissen, wie du stirbst.“
    „Mag sein. Ich bin schon einmal fast gestorben … es war …“ Sie zögerte. „… sagen wir, es war schlimm. Willst du wissen, warum ich dich nicht töten werde?“
    „Sicher, das wäre mal ein Anfang. Ich vermute, weil es … schlimm wäre?“
    Sie lachte.
    „Unfug! Du bist in Sicherheit, weil ich nicht sterben möchte – was ich ja, wie du sagst, trotz meiner momentanen Unsterblichkeit tun werde –, ohne zuvor noch einmal glücklich gewesen zu sein.“
    „Wie sollte ich dir zu deinem Glück verhelfen können?“
    „Du bist hier, das reicht hoffentlich schon.“
    „Ich verstehe nicht.“
    Nathaira hob den Anhänger hoch, und das

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