Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Josie und Arthur wie aus einem Munde.
Dann wurde ein quietschender Riegel zurückgeschoben.
Die flinken Äuglein eines Trolls, dessen Nase Josie stark an ein Schwein erinnerte, musterten sie.
»Ein Hund, zwei Schepsel im Verein …«, murmelte er näselnd. »Was zaudert Ihr noch? Tretet ein!«
Arthur ging, sich nach allen Seiten argwöhnisch umblickend, voran, die anderen kamen ihm zögernd nach.
Mit einer ungeschickten Verbeugung lud der Rüsseltroll sie ein, ihm zu folgen. Seine plumpen Füße tappten geräuschvoll im Rhythmus des Schlüsselbunds, der an seinem Gürtel rasselte, über den lehmigen Untergrund. Alle paar Meter hielt er, weitere Türen und Gitter aufzusperren.
»Der reinste Hochsicherheitstrakt«, flüsterte Arthur Josie zu.
Der Troll drehte sich kurz zu ihm um. »Ihr hab ganz recht, wir müssen hüten die Kräfte, die um Freiheit ringen, vor Dykerons gemeinem Wüten.«
»Welche Kräfte?«, hakte Arthur nach.
Ohne weiter auf seine Frage einzugehen, deutete der Troll nach vorn. »Wir sind gleich da, man will euch seh’n. Ihr werdet alles bald versteh’n.«
Dann bemerkte Josie, dass es heller wurde. Ein schwacher goldener Lichtschein flackerte ihnen verheißungsvoll entgegen.
»Warmes Licht!« Sie stöhnte erleichtert und etwas wie Hoffnung flammte in ihr auf. Die Hoffnung eines verirrten Wanderers, dem im Dunkel der Nacht das anheimelnde Licht einer menschlichen Behausung Rettung verheißt.
Kurz darauf standen sie in einem runden unterirdischen Raum, in dessen Mitte eine Laterne den angenehm vertrauten Schein einer goldenen Flamme verbreitete. Um die Lichtquelle herum hatte sich eine Gesellschaft wenig vertrauenerweckender Gestalten geschart. Übergroß und Furcht einflößend geisterten ihre Schatten über die Höhlenwände. Soweit Josie sehen konnte, schienen die meisten Trolle zu sein, denn nahezu alle besaßen behaarte Körper und ungewöhnlich klobige Füße und Hände, wenngleich sie sich in der Größe, sowie in der Form ihrer Ohren und Nasen unterschieden.
Der anscheinend Älteste unter ihnen – sein Kopf war kahl und nur ein spärlicher grauer Bart stand von seinem zerfurchten Gesicht ab wie die Borsten eines Wildschweins – saß etwas erhoben auf einem thronähnlichen, unförmig zubehauenen Holzklotz. Er winkte die drei Besucher zu sich.
In seinen kleinen erdfarbenen Augen lag großer Ernst, aber keine Feindseligkeit, als er zu sprechen begann. »So seid Ihr also nun gekommen, den Streit mit Dykeron zu wagen, der uns die Freiheit hat genommen, sodass nichts bleibt, als zu beklagen, was einst das Volk der Trolle war: ein tapf’rer Stamm mit forschen Recken. Heut sind wir aller Mittel bar und müssen uns vor ihm verstecken. Vor ihm und seinen üblen Horden, die niedermetzeln und ermorden, was nicht von gleichem bösen Blut. Die alles, was ist hell und gut, und sei’s auch nur ein Funke dessen, aus jedem Herzen schandhaft pressen.«
Er verstummte und starrte betrübt in das Licht der Laterne, während die anderen zustimmend murmelten.
»Das muss Torun der Kahle sein, ein Trollkönig«, hörten Josie und Arthur Wolfs Stimme. »Als die Welten vor Urzeiten getrennt wurden, wurde sein Reich Dorchadon zugeschlagen.«
Mann!, dachte Josie. Das hat uns noch gefehlt! Was haben wir mit dem Freiheitskrieg der Trolle zu tun? Sie nahm all ihren Mut zusammen. »Wir würden Euch gern behilflich sein, doch erlaubt unsere Mission keinen Aufschub. Das müsst Ihr verstehen. Wir müssen auf dem schnellsten Weg nach Arcatrox und zwei Gefangene befreien. Und wir stehen im Wort …«
»Josie!« Arthur unterbrach sie. »Erzähl ihnen nicht so viel! Wer weiß, ob man ihnen vertrauen kann. Außerdem …«
»Ihr könnt ihnen vertrauen.« Die warme Stimme, die aus dem dämmrigen Hintergrund der Höhle zu ihnen sprach, ließ ihn verstummen. Dann löste sich aus der Dunkelheit eine Gestalt und trat in die Mitte.
Josie erkannte sie sofort. Die zierliche alte Dame, deren langer weißer Zopf über die rechte Schulter floss und die jetzt mit ausgestreckten Armen auf Josie zuschritt, war … »Edna«, stieß Josie aus.
Die Frau ergriff Josies Hände. »So hast du also doch hierhergefunden. In allerletzter Minute …« Sie drückte Josie an sich. »Wir haben so auf dich gehofft!«
»Ist Amy auch hier?« Josie blickte sich verwirrt um.
Arthur musterte die Fremde misstrauisch. »Woher wussten die Trolle von unserer Ankunft?«
Spöttisches Gelächter aus der Runde um die Laterne quittierte
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