Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
seine Frage. Torun der Kahle sorgte mit einer Handbewegung für Schweigen und wandte sich dann an Arthur. »Ein jeder Schritt, den ihr gemacht, wurde von Spähern überwacht.«
Edna nickte. »Wir müssen enorm auf der Hut sein.«
Josie dröhnte der Kopf. »Ich versteh das alles nicht.«
Edna legte den Arm um ihre Schultern. »Auch ich verstehe nicht alles«, sagte sie mit einem neugierigen Blick auf Wolf und Arthur. »Amy hat mir von dir und dem kleinen Vogelmann berichtet, aber warum bist du in Begleitung dieses Jungen und eines Hundes?«
»Mir scheint, es gibt einiges zu erzählen«, meldete sich Wolfs dunkle Stimme.
Edna zuckte zusammen und sah ihn verblüfft an. »Ich kann ihn hören. Er scheint mir ein ganz außergewöhnlicher Hund zu sein.«
»Allerdings!«, erwiderte Josie. »Dann kommuniziert er also auch mit dir. Eigenartig …«
»Nun«, ließ sich Wolf vernehmen. »Sie gehört doch zur Familie.«
Edna warf ihm einen verständnislosen Blick zu.
Torun wies seine Leute an, zusammenzurücken und winkte die Gäste zu sich. »So nehmt denn Platz am Freiheitslicht! Ein jeder gebe nun Bericht, was ihm gescheh’n, wie’s ihm ergangen, damit wir klar die Dinge seh’n und einen klugen Plan erlangen.«
Arthur steckte die blaue Fackel in den weichen Lehmboden und nahm neben einem rothaarigen Troll Platz, der bereitwillig zur Seite gerutscht war. Josie raffte ihr Cape und setzte sich neben Edna, die sich bereits neben dem Trollkönig niedergelassen hatte. Etwas Graues huschte unter die Bank. Aufgeschreckt zog Josie die Beine hoch und schüttelte sich. »Sind denn hier überall Ratten?«
»Was ein wahres Glück ist«, entgegnete Edna. »Du wirst noch hören, wieso.«
An ihre Entführung konnte sich Edna kaum mehr erinnern, sie war rasch ohnmächtig geworden und erst im Kerker Dykerons wieder zu sich gekommen.
»Es ist alles so verrückt«, seufzte sie unvermittelt. »Wisst ihr, manchmal frage ich mich, ob ich durch meine Arbeit an diesem fatalen Fantasy-Drehbuch den ganzen Schlamassel nicht geradezu herausgefordert habe. Ich weiß, das hört sich absurd an. Aber die Filmgeschichte dreht sich, vereinfacht gesagt, um ein Mädchen, das aus purer Langeweile und Leichtsinn die Mächte der Finsternis heraufbeschwört – was ihr nach einigem Experimentieren auch gelingt. Allerdings führt dieses Spiel mit dem Feuer zu einem unerwünschten Ergebnis. Als nämlich ihre Bemühungen endlich fruchten, wird sie von den Geistern, die sie rief, entführt, um in einem grausamen Ritual einem Drachen geopfert zu werden.«
Josie riss die Augen auf. »Amy hat mir davon erzählt. Aber das mit dem Drachen …«
Edna verschränkte nervös die Finger. »An sich ist das ein uraltes, oft behandeltes Thema. Jemand beschäftigt sich mit Schwarzer Magie und es passiert irgendetwas Schreckliches. Meine Geschichte aber spielt heute. Und das Mädchen, um das es geht, besitzt, ohne es zu ahnen, ohnehin magische Kräfte. Dazu hat es einen Hang zu Gothic – ihr wisst schon, schwarze Kleidung und so. Und …« Edna presste die Hand an die Stirnader, eine Geste, die Josie an Moma denken ließ. »Und – dieses Mädchen lebt in Chicago und hat eine Großmutter, die Drehbücher schreibt. Autoren bringen, wie ihr vielleicht wisst, oft auch eigene Erfahrungen mit ein. Aber wenn ich geahnt hätte, was ich damit anrichte …« Sie schüttelte unglücklich den Kopf.
Josie starrte Edna an. Deutlicher als je zuvor wurde ihr bewusst, dass sich die Grenzen von Fantasie und Wirklichkeit tatsächlich aufgelöst hatten. Für einen Moment war ihr, als hätten sie sich alle in einem auswegslosen Labyrinth von Gedanken und Ideen verirrt.
Arthur nickte Edna nachdenklich zu. »Unsere Vermutung geht in dieselbe Richtung. Die Geschehnisse scheinen durch unsere Fantasien entscheidend gelenkt zu werden. – Ich verstehe bloß nicht, wieso sie sich nicht Amy geholt haben – ich meine, ein Mädchen halt.«
Den Tränen nah senkte Edna den Kopf. »Sie haben …« Gepresst kam die unglaubliche Erklärung über ihre Lippen. »Sie haben die Falsche erwischt.«
»Was?« Josie fuhr hoch. »Es war ein Versehen?«
Edna zuckte mutlos mit den Schultern. »Das war es wohl. Ihr könnt euch Dykerons Wut kaum vorstellen …«
Da sie Mühe hatte, weiterzusprechen, übernahm einer der Trolle das Wort. In seiner Stimme schwang Empörung, aber ebenso große Furcht. »Die Erde bebte von dem Toben. Er raste blind in Sturmgebraus und riss den Bütteln, die sich
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