Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Seite. Gegenüber erhob sich wie ein aus dem Felsen gemeißelter Titan, Arcatrox, und blickte grimmig auf sie herab. Eine hölzerne Brücke weit über ihnen bot, soweit man sehen konnte, den einzigen Zugang zum Burgtor.
Die kalten Finger des Grauens umspannten Josies Leib und drückten ihr den Atem ab.
Irgendwo da droben war Amy. Irgendwo in diesem schwarzen Gehäuse des Bösen.
Tupan, der ihren Schrecken zu spüren schien, sah sie teilnahmsvoll an. Über sein derbes Gesicht flackerte unerwartete Milde. »Wohlan, dies wird kein Kinderspiel, ihr solltet jetzt ein wenig ruh’n. Denkt stets an Euer großes Ziel! Es wird sich finden, was zu tun.« Unvermittelt färbte sich seine Stimme mit Bitterkeit. »Wir Brüder füllen jetzt die Karren. Alltäglich wir zusammenscharren der Teufel Unrat, ihren Mist! Ahnt Ihr, welch Schmach es für uns ist, dass wir ein Leben führ’n als Knechte – ohne alle Heimatrechte?« Er trat wütend an den Karren.
Josie wurde es eng. »Lass ihr uns etwa hier allein?«
Tipan nickte. »Wenn wir die Posten nicht passieren zu der vorgeschrieb’nen Zeit, werden sie uns einkassieren.«
»Und uns mit Wonne massakrieren«, ergänzte Tapan grimmig. »Uns Trollen ist es strikt verboten, in die Burg hineinzugehen. Wir Knechte könnten es ja wagen, gegen die Herrschaft aufzustehen.« Er presste die fleischigen Lippen zusammen und fuhr mit hängenden Schultern fort: »Sie lassen bald die Bestien frei, die das Teufelsnest bewachen. Bis dahin haben wir noch Zeit, um uns aus dem Staub zu machen.«
Damit drehte er sich um, und schnallte eine verrostete Schaufel vom Karren ab, um einen miefenden Kothaufen in die Kiste zu befördern.«
»Na super!«, stöhnte Arthur und blickte ratlos nach oben. »Und wie kommen wir ohne Hilfe in diese Festung?«
Tupan hob beschwichtigend die behaarten Hände. »Es ist für alles schon gesorgt, Freunde steh’n euch treulich bei. Wartet in dem Winkel dort und rastet von der Schinderei!«
Josie sah in die Richtung, in die der Troll gewiesen hatte. Ein Mauervorsprung bildete mit der Festungswand eine Nische, die ihnen Blick- und Kälteschutz bieten würde.
Die Aussicht, ein wenig auszuruhen, ließ sie prompt gähnen. Sie war tatsächlich hundemüde.
»Wir sollten die Gelegenheit nützen«, meldete sich Wolf. »Mein alter Körper benötigt dringend eine Pause. Mir knirschen die Knochen. Diese Karrenfahrt hatte es in sich!« Müde ging er voraus und legte sich in die geschützte Ecke, wo er sogleich die Augen schloss. Arthur blickte sich noch einen Moment unschlüssig um, dann kam er Josie nach, die Wolfs Beispiel schon gefolgt war.
»Nur ein paar Minuten«, sagte er, während er sich niederließ. Und schon sanken ihm die schweren Lider.
Josie wickelte sich in ihren Umhang. – Verdammt, wie das Ding stank!
Sie sah Arthur an und schmunzelte. Seine vollen Lippen bildeten ein kleines O, durch das ein leises Schnarchen entwich. Zuneigung und Dankbarkeit überflutete sie. Behutsam schloss sie das Cape über der Brust ihres lieb gewordenen Freundes und legte sich zurück. Dann konnte auch sie der Müdigkeit nicht mehr widerstehen.
Etwas, das an ihrem Mantel zupfte, riss sie aus dem Schlaf. »Wacht auf! Wir müssen uns sputen.«
Josie schreckte hoch und drängte sich eng an Arthur. »Arthur!« Ihre Stimmbänder vibrierten.
Arthur rieb sich die Augen. »Hallo«, sagte er erstaunt zu den beiden kleinen graubraunen Wesen, die mit zitternden Schnurrhaaren vor ihnen Männchen machten. »Ihr seid also die Freunde, von denen Tupan gesprochen hat!«
»Seid gegrüßt«, sagte das größere der Tiere und verbeugte sich. »Mein Name ist Bernhard.« Mit einer Verbeugung zeigte es auf seine Begleitung. »Und dies ist mein Weib Bianca.«
Arthur grinste überrascht. »Wie die Mäuse aus dem Trickfilm? Als ich klein war, war ich ein großer Fan der Mäusepolizei.«
»Zugegeben, es sind Mäusenamen«, sagte Bernhard verstimmt. »Seinen Namen kann man sich nun mal nicht aussuchen. In unserer Sippschaft, deren Wurzeln – wenngleich höchst unfreiwillig – im Filmgeschäft liegen, pflegt man eine Vorliebe für berühmte Tiere aus der Branche.«
Josie riss sich zusammen. Okay, es waren definitiv Ratten! Aber aus der Nähe betrachtet waren sie eigentlich gar nicht abstoßend. Eigentlich waren sie sogar ganz possierlich, ihr samten glänzendes Fell, ihre bebenden Schnäuzchen. Der Schwanz allerdings … Sie schluckte. Jedenfalls redeten sie normal, das war angenehm.
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