Das Vermächtnis der Feuerelfen
nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen versuchte. Hier unten war es noch viel schlimmer. Er fühlte sich wie in einem Grab und sehnte sich schon jetzt nach der frischen Brise und dem Sonnenlicht auf dem Oberdeck zurück.
»Dies ist Eure Kajüte.« Der Schiffsjunge war vor einer Tür am Ende des Ganges stehen geblieben und drückte die Klinke herunter. Dahinter befand sich ein kleiner Raum mit zwei Kojen, die übereinander an der Wand angebracht waren. Eines der Betten war leer, das andere mit Kopfkissen und Daunendecke hergerichtet. Durch ein Sprossenfenster im Schiffsrumpf konnte Durin das Meer sehen. Gerade zog der Kopf der steinernen Mole vorüber. Vor dem Fenster stand ein kleiner Tisch mit einer
Öllampe, davor zwei Stühle mit grünen Polstern. Gegenüber den Kojen befand sich eine Holztruhe, in der das Gepäck aufbewahrt werden konnte, darüber hing ein Spiegel an der Wand. Mehr gab es in der Kammer nicht zu entdecken.
»Seid Ihr zufrieden?«, erkundigte sich der Schiffsjunge, der Durin den Vortritt gelassen hatte und im Flur wartete.
»Es genügt mir.« Durin warf sein Bündel in die Truhe und schaute aus dem Fenster. Er hatte nicht vor, sich lange in der Kajüte aufzuhalten.
»Habt Ihr noch einen Wunsch?«, hörte er den Schiffsjungen fragen.
»Nein, du kannst verschwinden.« Durin machte sich nicht die Mühe, sich umzusehen, als er antwortete. Sein Blick ruhte auf der Küste Tamoyens, an deren Strand sich schäumend die Wellen brachen, während das Land langsam hinter ihnen zurückblieb. Ein gutes Dutzend Raubmöwen begleiteten die Annaha bei ihrem Weg hinaus auf den Ozean der Stürme. Durin beobachtete ihren Flug und die waghalsigen Manöver, mit denen sie ins Wasser tauchten, um kleine Fische zu fangen.
Dass das Schiff allmählich zu schwanken anfing, erkannte er erst, als sich die helle Küstenlinie vor dem Fenster langsam hob und senkte. Er blinzelte und stützte sich am Tisch ab. Eine Weile gelang es ihm noch, sich einzureden, dass ihm das Auf und Ab nichts ausmachte, dann belehrte ihn sein Magen eines Besseren. Was mit einem leichten Schwindelgefühl und Unwohlsein begann, wuchs rasch zu einer heftigen Übelkeit an. Durin keuchte. Das Atmen fiel ihm schwer und auf seiner Stirn bildeten sich winzige Schweißperlen. Ruckartig wandte er sich vom Fenster ab, bereute die heftige Bewegung aber sofort.
Luft, dachte er. Ich brauche frische Luft.
Mit unsicheren Schritten wankte er auf die Tür zu. Decke und Wände seines Quartiers schienen ihm noch enger zusammengerückt als zuvor und das Gefühl der Beklemmung gab dem Unwohlsein
zusätzlich Nahrung. Ich muss hier raus, hämmerte es hinter seiner Stirn. Ich muss sofort an Deck .
Mit unsicheren Schritten erreichte er die Tür und tastete sich, die Hände nach beiden Seiten ausgestreckt, wie ein Betrunkener an den Wänden entlang zur Treppe, die ins Freie führte. Er hatte sie fast erreicht, als hinter ihm eine Tür geöffnet wurde und Melrem in den Gang trat. »Ah, Durin«, sagte er gut gelaunt. »Hast du es schon bemerkt? Der Wind steht günstig und hat kräftig aufgelebt. Wir machen gute Fahrt. Wenn es so bleibt, werden wir die Riffinseln morgen Mittag erreichen.«
Durin schwieg. Er wagte nicht, den Mund zu öffnen. Mit einer fahrigen Handbewegung griff er nach dem Handlauf der Treppe, verfehlte ihn aber um Haaresbreite, weil das Schiff gerade einen Wellenkamm passierte. Die Bewegung ließ Durins Mageninhalt bis zum Rachen aufsteigen. Er würgte und hustete, ersparte sich aber weitere Peinlichkeiten, indem er hart gegen den Brechreiz anschluckte.
»Durin?« Melrem war hinter ihn getreten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Geht es dir nicht gut?«
»Lass mich.« Durin musste sich stark zusammenreißen, um die Worte über die Lippen zu bringen. Er fühlte sich so elend, als hätte er ein ganzes Fass Wein geleert, und bereute es bitter, den Auftrag angenommen zu haben. Mit einer energischen Bewegung packte er den Handlauf und stürzte die Treppe hinauf an Deck.
Oben angekommen blieb er stehen, schloss die Augen und atmete tief durch. Die frische Luft tat ihm gut und drängte die Übelkeit ein wenig zurück. Das Rauschen der Wellen, die gegen den Bug schlugen, das Knarren der Takelage und die hellen Schreie der Raubmöwen, die die Annaha noch immer begleiteten, kündeten von der Freiheit des Ozeans und ließen ihn die Enge seines Quartiers augenblicklich vergessen.
»Alles in Ordnung mit dir?« Melrem war ihm gefolgt und schaute ihn besorgt
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