Das Vermächtnis der Feuerelfen
dafür zu sorgen, dass nichts mehr auf dem Riff an Durin erinnerte.
Ein zufriedenes Lächeln huschte über Heylons Gesicht, als er sich die Folgen seines Handelns ausmalte. Caiwen würde bleiben, und es würde sein, als hätte es Durin niemals gegeben.
Caiwen!
Der Gedanke durchzuckte Heylon wie ein Blitz, kaum dass er die Klippe erklommen hatte. »Verdammt!« Er blieb stehen, ballte die Fäuste und stampfte mit dem Fuß auf. In seiner Wut hatte er völlig vergessen, dass Emeric Caiwen bei dem Fremden vorfinden würde, wenn er schon jetzt zu ihm ging. Das durfte nicht geschehen.
Unschlüssig, was er tun sollte, blieb Heylon oben auf der Klippe
stehen und schaute zum fernen Dorf hinüber. Die Entschlossenheit, die er eben noch gespürt hatte, war schlagartig verflogen. Er war immer noch wütend, aber anders als zuvor erkannte er nun, dass er überlegt handeln musste. Caiwen durfte auf keinen Fall in den Verdacht geraten, dem Fremden geholfen zu haben - vor allem aber durfte sie niemals erfahren, dass er es gewesen war, der Durin den Männern ausgeliefert hatte.
Heylon fröstelte. Wenn Caiwen herausfand, dass er sein Versprechen gebrochen und Durin verraten hatte, wäre nicht nur ihre Freundschaft für immer zerstört.
Es muss so aussehen, als ob jemand anders Durin entdeckt hat, überlegte er. Ich muss warten, bis Caiwen vom Strand zurückkehrt. Und ich muss mir einen überzeugenden Vorwand ausdenken, unter dem ich ein paar Jungen aus dem Dorf in die Nähe der Höhle schicken kann. Alles andere ergibt sich dann von selbst.
Es war ein einfacher Plan, aber ein guter. Heylon grinste, drehte sich um und hielt nach einem Platz Ausschau, von dem aus er den Strand nahe der Höhle gut einsehen konnte. Dabei fiel sein Blick auch auf den Ozean …
»Mar-Undrum steh mir bei!« Heylon erstarrte mitten in der Bewegung. Den imposanten Viermaster, der sich dem Riff unter vollen Segeln näherte, hatte er vom Strand aus nicht sehen können. Von der Klippe aus wirkte er hingegen schon sehr nahe …
Eine eisige Hand griff nach Heylons Herz, als er erkannte, was das bedeutete. Sein Plan, Caiwen aufzuhalten, war gescheitert, noch ehe er überhaupt begonnen hatte, ihn in die Tat umzusetzen. Wenn dies das Schiff war, auf das Durin wartete, blieben ihm nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder er verriet Durin und damit auch Caiwen oder er schwieg und ließ die beiden gehen.
Heylon schluckte trocken und biss sich auf die Unterlippe. Die Situation überforderte ihn. Er war es nicht gewohnt, Entscheidungen zu treffen, schon gar nicht solche, die weitreichende Folgen haben würden. »Was soll ich tun? Was soll ich nur tun?«,
murmelte er leise vor sich hin, während er mit den Augen die Entfernung zum Schiff maß und einzuschätzen versuchte, wann es ankommen würde.
Vorausgesetzt, dass es wirklich das Schiff ist, auf das Durin wartet. Der Gedanke ließ Heylon neuen Mut schöpfen. Er beschloss, das Schiff von einem Versteck auf der Klippe aus zu beobachten. Vielleicht hatte er Glück und es fuhr einfach am Riff vorbei.
Als die Sonne dem Zenit entgegenstrebte, war klar, dass das Glück Heylon nicht gewogen war. Das Schiff hatte seinen Kurs beibehalten und war vor dem Riff vor Anker gegangen. Der Viermaster war so nah, dass er die Menschen an Bord deutlich erkennen konnte. Fasziniert und besorgt zugleich verfolgte er, wie die Segel gerefft und zwei der Beiboote zu Wasser gelassen wurden.
Heylon atmete schwer. Sein Herz raste. Mehrfach nahm er sich vor, ins Dorf zu laufen und seinem Vater alles zu erzählen, aber er schaffte es nicht einmal, sich aufzurichten und den ersten Schritt zu tun.
Aus den Augenwinkeln sah er Durin und Caiwen aus der Höhle kommen und zum Wasser gehen. Der Schiffbrüchige stützte sich humpelnd auf einen Stab, den Caiwen ihm gegeben haben musste. Caiwen selbst wirkte unsicher. Immer wieder drehte sie sich um und schaute zum Rand der Klippe hinauf, als würde sie nach etwas suchen. Sie war zu weit entfernt, als dass Heylon ihr Gesicht hätte sehen können, aber an der Art, wie sie sich bewegte, erkannte er, dass auch sie mit ihren Gefühlen rang. Mehrmals blieb sie stehen und sprach mit Durin, der ihr dann väterlich den Arm um die Schultern legte und sie sanft, aber bestimmt in Richtung Wasser schob.
Die vertraute Geste versetzte Heylon einen Stich. Bohrende Eifersucht und die Angst, Caiwen zu verlieren, vereinten sich mit dem Wunsch, sie zu beschützen, und wuchsen schnell zu einem tosenden Sturm heran, der
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