Das Vermächtnis der Feuerelfen
Durin wusste, wie empfindsam Elfen waren. Obwohl Caiwen nicht bei ihrem Volk aufgewachsen war, musste er damit rechnen, dass auch sie die Fähigkeit besaß, eine Lüge sofort zu durchschauen. So hangelte er sich bei seinen Antworten immer geschickt an der Wahrheit entlang, ohne ihr dabei Dinge zu verraten, die sie davon abhalten könnten, ihn zu begleiten.
Durin ächzte und verlagerte sein Gewicht, um sein schmerzendes Bein zu entlasten. Es gehörte nicht zu seinen Aufgaben, Caiwen die Welt zu erklären. Das konnten Maeve oder Melrem später übernehmen. Sein Auftrag war erfüllt, wenn Caiwen wohlbehalten an Bord der Annaha war und er seinen Lohn erhalten hatte. Was danach geschah, hatte ihn nicht zu kümmern.
»Ein Schiff!! Da kommt ein Schiff!« Saphrax tauchte vor dem Höhleneingang auf, schoss pfeilschnell in die Höhle und versuchte unbeholfen zu landen. Der Winkel war jedoch schlecht gewählt und seine Geschwindigkeit so hoch, dass er sich zweimal überschlug, ehe er eine knappe Armlänge vor dem Feuer mit ausgebreiteten Flügeln liegen blieb. Einen Augenblick lang bewegte er sich nicht. Dann stieß er ein heiseres Krächzen aus, rappelte sich auf und schüttelte ärgerlich den Sand aus seinem Gefieder.
»Mit so einer Landung wirst du bei den Möwendamen kaum Eindruck schinden.« Durin grinste. »An der Eleganz musst du wohl noch ein wenig arbeiten.«
»Sehr witzig.« Mit dem Schnabel zupfte Saphrax eine lose Feder aus seinem Gefieder. »Die Möwendamen werden mich so schnell nicht wiedersehen. Sobald wir wieder in Tamoyen sind, werde ich mir eine Gestalt mit vier Beinen aussuchen. Das ist sicher.«
»Du hast ein Schiff entdeckt?«, wechselte Durin das Thema.
»Ja.«
»Ist es die Annaha ?«
»Woher soll ich das wissen?« Saphrax plusterte sich auf und schüttelte sich.
»Ja, bist du denn nicht hingeflogen, um nachzusehen?«
»Natürlich nicht!« Saphrax kam um das Feuer herum auf ihn zu. »Ich bin doch nicht verrückt. Es ist noch viel zu weit weg.«
»Aber du kannst fliegen!«, brauste Durin auf. »Du kommst hier herein, als sei die Annaha schon vor Anker gegangen, und dann bist du dir nicht einmal sicher, ob du sie überhaupt gesehen hast.«
»Tss, tss … du bist so was von undankbar.« Saphrax hob den Kopf ein wenig an, drehte sich um und stolzierte beleidigt auf den Höhleneingang zu.
»Saphrax!« Es klang wie ein Befehl, aber das Wechselwesen kümmerte sich nicht darum. Ohne sich noch einmal umzublicken, verließ es die Höhle.
»Saphrax! Komm sofort zurück!« Durin ärgerte sich, dass er nicht ein wenig freundlicher reagiert hatte. Wenn Saphrax wollte, konnte er ganz schön dickköpfig sein. Er war nun mal kein Hund, der sich herumkommandieren ließ, und ließ keine Gelegenheit aus, Durin dies auch zu zeigen.
Es war nicht das erste Mal, dass sie aneinandergerieten, und würde sicher auch nicht das letzte Mal sein. Dafür waren sie einfach viel zu unterschiedlich. Allerdings wusste Durin inzwischen auch, dass Saphrax nicht nachtragend war und nie lange schmollte. Irgendwann würde er zurückkommen und sich benehmen, als sei
nichts geschehen. Und vermutlich würde er ihm dann auch mehr über das Schiff erzählen …
Ein plötzliches Scharren von Schritten auf losen Steinen ließ Durin zusammenzucken. Instinktiv wanderte seine Hand zum Schwertgriff, während er lauschend zu erkennen versuchte, ob es einer oder mehrere waren, die sich der Höhle näherten. Für die Dauer eines Wimpernschlags fürchtete er, verraten worden zu sein. Dann tauchte Heylons Kopf im Höhleneingang auf und er entspannte sich. »Ach, du bist es.« Durin entging Heylons ernste Miene nicht, dennoch gelang ihm ein Lächeln. Der Erfolg seiner Mission hing schließlich auch vom Wohlwollen des Jungen ab.
»Du willst sie mitnehmen?«, fragte Heylon ohne ein Wort der Begrüßung. Misstrauen schwang in den Worten mit und lauerte in seinen Augen. Er machte sich nicht die Mühe, es zu verbergen.
»Es ist das Beste für sie«, erklärte Durin gefasst. »Nicht mehr lange, und jeder hier wird erkennen, was sie wirklich ist.«
»Wie das?« Für einen Augenblick flackerte Unsicherheit in Heylons Blick auf. Vermutlich hatte er mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Antwort.
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Dann würde ich wohl kaum fragen.«
»Sie ist eine Elfe - sagt dir das nichts?«
»Lenval hat eine gute Erklärung für ihre hellen Haare und spitzen Ohren ge…«
»Ich meinte nicht ihr Aussehen«, schnitt Durin
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