Das Vermächtnis der Feuerelfen
ausgezeichneter Schwimmer. Aber die Kälte des Wassers, die Erschöpfung und seine dicken Kleider forderten schon bald ihren Tribut. Immer öfter zog es ihn unter Wasser, und immer mehr musste er sich anstrengen, um an der Oberfläche zu bleiben. Verschwommen sah er das Boot weiter entschwinden.
Caiwen stand jetzt am Heck. Sie gestikulierte wild und rief ihm etwas zu, aber er konnte es nicht verstehen.
Ich muss das Boot einholen. Der Gedanke hämmerte hinter seiner Stirn. Er tauchte unter und schluckte Wasser, arbeitete sich noch einmal an die Oberfläche, hustete und spuckte und wollte erneut Luft holen, aber da war das Wasser schon wieder über ihm.
Luft! Ich brauche Luft! Zum ersten Mal in seinem Leben spürte Heylon Panik in sich aufsteigen. Der Versuch, die Boote einzuholen, wurde mit einem Schlag zu einem Kampf ums nackte Überleben. Er kämpfte verbissen, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr. Hilflos, die Augen weit aufgerissen, sah er, wie die Luft seinen Lungen entwich und in schimmernden Blasen dem Sonnenlicht zustrebte, das sich mit grausamer Schönheit an der Wasseroberfläche brach, während er selbst unaufhaltsam in die bodenlose Schwärze glitt, in der es weder Licht noch Leben gab …
DER MHORAG
H eylon!« Starr vor Entsetzen, beobachtete Caiwen vom Boot aus den Todeskampf ihres Freundes. Als wäre sie selbst kurz vor dem Ertrinken, spürte sie, wie Heylon um jeden Atemzug rang und versuchte, wieder an die Oberfläche zu kommen. Sie teilte seine Erleichterung, wenn frische Luft seine Lungen füllte, und spürte die Hoffnung, die Boote doch noch erreichen zu können, in ihm aufkeimen. Aber sie spürte auch, dass seine Kräfte schwanden.
Sie hätte die Gefühle aussperren können, aber sie tat es nicht. Sie wollte bei ihm sein, so nah wie möglich - wenn es sein musste, auch bis zum bitteren Ende.
Jedes Mal wenn er in den Fluten versank, ballte sie die Fäuste und betete zu Mar-Undrum, dass er ihn verschonen möge. Und immer wenn er wieder auftauchte, rief sie ihm zu, dass er umkehren solle. Aber Heylon hörte nicht auf sie. Selbst als das Boot sich immer weiter entfernte, schwamm er weiter.
Und wenn ich dir bis Tamoyen hinterherschwimmen muss.
Caiwens Herz krampfte sich zusammen. Sie hatte gehofft, er würde es sich anders überlegen, wenn er die Aussichtslosigkeit seines Tuns erkannte.Aber sie wurde eines Besseren belehrt. Heylon war entschlossen, ihr zu folgen - auch wenn es in dem eiskalten Wasser seinen Tod bedeutete.
Was er tat, war dumm, vollkommen verrückt und doch berührte gerade das sie tief. Ausgerechnet Heylon, der immer zögerte und zauderte, Heylon, der stets so lange über die Dinge nachdachte, dass er kaum zu einer spontanen Handlung fähig war. Wie oft schon war er ein Wagnis nur deshalb nicht eingegangen, weil er sich vor den möglichen Folgen fürchtete. Und jetzt stürzte er sich einfach ins Meer, um sie zu beschützen.
Caiwen schluckte schwer, als sie sah, wie Heylon erneut unter Wasser gezogen wurde. »Durin! Er ertrinkt!« Mit wildem Blick schaute sie sich zu Durin um, der mit ausdrucksloser Miene hinter ihr stand. »Tu doch etwas! Wir müssen ihn retten!«
»Wir müssen gar nichts.« Die Kälte in seinen Worten versetzte Caiwen einen Stich. »Aber …«
»Kein Aber. Er wusste, dass er nicht mitkommen kann. Daran hat sich nichts geändert.«
»Aber er ist erschöpft«, begehrte Caiwen auf. »Wenn wir ihm nicht helfen, wird er sterben.«
»Wir haben ihn gewarnt. Er hätte sein närrisches Vorhaben jederzeit aufgeben und zum Strand zurückkehren können«, erwiderte Durin. »Es ist nicht meine Schuld, wenn er sich für den Tod entscheidet.«
»Du … du willst ihn sterben lassen?« Caiwen schnappte nach Luft. Obwohl Durin ihr die Antwort schuldig blieb, spürte sie, dass er es ernst meinte. Weder er noch die Männer an den Rudern würden für Heylon auch nur einen Finger krümmen.
In diesem Augenblick durchbrach Heylon noch einmal die Wasseroberfläche. Caiwen erschrak, als sie erkannte, wie weit sich die Boote schon von ihm entfernt hatten.
Wenn er noch einmal untergeht, ist er verloren. Caiwen wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Wenn die Männer in den Booten sich weigerten, musste sie Heylon helfen. Kurz entschlossen riss sie sich die warme Jacke herunter und setzte einen Fuß auf die Bootswand.
»Bist du von Sinnen?« Durin packte sie an der Schulter und riss sie herum. Zum ersten Mal sah sie ihn richtig zornig. »Du kannst ihm nicht
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