Das Vermächtnis der Feuerelfen
helfen! Niemand kann das! Wenn du zu ihm schwimmst, werdet ihr beide ertrinken!«
»Niemand kann das - wie?«, fauchte Caiwen außer sich vor Wut. »Du meinst wohl: Niemand will das! Ihr könntet ihn doch retten. Du und diese Feiglinge hier, die ihn für einen Geist oder sonst was halten. Ihr müsst nur zurückrudern und ihn an Bord nehmen. Aber statt zu helfen, seht ihr lieber zu, wie er jämmerlich ertrinkt.« Sie wand sich unter Durins Griff und versuchte, sich zu befreien. Aber er hielt sie unerbittlich fest. Caiwen fluchte und funkelte ihn hasserfüllt an. »Wenn ich gewusst hätte, was für ein herzloser Mensch du bist, wäre ich dir niemals gefolgt. Du bist nicht besser als Lenval und die anderen Männer. Und jetzt lass mich los. Heylon ist mein Freund. Ich muss zu ihm!«
»Bitte. Wie du meinst.« Etwas an dem zuckersüßen Lächeln, das Durins Lippen umspielte, als er sie freigab, ließ Caiwen alarmiert zusammenzucken. Ruckartig fuhr sie herum und sah - nichts. Unter dem strahlend blauen Himmel erstreckte sich der Ozean ruhig und glatt bis zum fernen Strand. Heylon war verschwunden. Es gab nichts, das sie jetzt noch für ihn tun konnte.
»Heylon! Neiiin!« Caiwen schluchzte auf und fiel auf die Knie. In ihrer Verzweiflung schloss sie die Augen und tastete mit ihren feinen Sinnen nach Heylon. Sie spürte, dass er noch lebte und bei Bewusstsein war, aber sie spürte auch, dass er aufgegeben hatte.
Halte durch!, rief sie ihm in Gedanken zu und wusste doch, dass er sie nicht hören konnte.
Ein letztes Mal noch war sie ihm ganz nahe, sah wie er das Sonnenlicht unerreichbar fern über sich schimmern und teilte mit ihm die Erkenntnis, dass er es zum letzten Mal erblickte. Wie Heylon sank sie immer tiefer, während die Luftblasen, kostbar wie edelste Perlen, an ihm vorbei nach oben stiegen. Dann war da nur noch Schwärze …
»Du hast dir nichts vorzuwerfen.« Durin stand immer noch hinter ihr. »Es war sein eigener freier Wille.«
Das war zu viel. Mit einem Schrei sprang Caiwen auf, fuhr herum und drosch wie von Sinnen mit den Fäusten auf Durin ein. »Du Mörder! Du Mörder«, rief sie immer wieder. »Ich … ich hasse dich!«
Durin stand ganz ruhig und schien die Schläge nicht einmal zu spüren. Irgendwann verließen Caiwen die Kräfte. Sie ließ die Hände sinken, fiel schluchzend zu Boden und schlug die Hände vors Gesicht. Heylon war tot und sie war schuld daran. Ihr Leben war zerstört. Es gab keinen Trost, nur Tränen und einen grenzenlosen Schmerz.
»Seht doch! Da!« Der panikerfüllte Ruf eines Seemanns ließ Caiwen aufblicken. Die Männer hatten aufgehört zu rudern. Sie reckten die Köpfe und starrten auf eine Stelle im Wasser, die in Bewegung geraten war. Zunächst waren es nur Luftblasen, die sich wie eine schäumende Spur rasend schnell auf den Punkt zubewegten, wo Caiwen Heylon zum letzten Mal gesehen hatte. Dann begann das Wasser, zu brodeln und Wellen zu schlagen, als würde sich etwas ungeheuer Großes unter der Wasseroberfläche bewegen. Binnen weniger Augenblicke war das Meer in einem Umkreis von fünfzehn Mannslängen so aufgewühlt, als tobte auf seinem Grund ein Sturm.
»Mar-Undrum sei uns gnädig.« Das Gesicht eines alten Matrosen, der in unmittelbarer Nähe saß, war so weiß wie sein Bart.
»Was ist das?« Durin gelang es, seine unerschütterliche Haltung zu wahren, aber Caiwen konnte er nichts vormachen. Auch er war beunruhigt.
»Ein Mhorag.« Die Stimme des Weißbärtigen bebte. »Ein Plankenreißer! Dieses Ungeheuer hat schon mehr Schiffe auf dem Gewissen als das verdammte Riff. Wir sind verloren.«
Niemand antwortete ihm. Niemand rührte sich. Die Gesichter der Männer wirkten wie in Stein gemeißelt. Es schien, als genüge
allein die Nähe des Mhorags, um ihnen den Lebensmut zu rauben.
»Wenn das Ding so gefährlich ist, warum rudert ihr dann nicht?«, rief Durin aus. »Wollt ihr tatenlos zusehen, wie der Mhorag die Boote zerfetzt? Bis zur Annaha ist es nicht mehr weit. Also rudert endlich! Worauf wartet ihr?«
»Auf der Annaha sind wir nicht sicher«, sagte der Bärtige tonlos. »Der Mhorag hat uns entdeckt. Er wird nicht ruhen, bis er auch die Annaha zerstört hat.«
»Dann rudert an Land! Verdammt noch mal!« Durin war außer sich. »Dahin wird uns ein Seeungeheuer ja wohl kaum folgen.«
»Damit uns dort die Geister töten?«
»Das werden sie nicht! Auf dem Riff gibt es …«
»Es ist weg!« Ein Matrose sprang auf und deutete auf das Wasser, wo sich die Wellen
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