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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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fragte er sich, ob die Liebe und Zuneigung, die er in ihrem Blick zu sehen geglaubt hatte, nur Einbildung gewesen war. Aber dann, nachdem er mit Larenia gesprochen hatte, verbannte er diesen Gedanken als Selbstmitleid. Seine Gefühle waren mehr als nur eine Illusion gewesen und auch Elaine hatte ihm nichts vorgespielt. Inzwischen hatte sich ihre Situation geändert. Vielleicht war es nicht mehr als ein kleiner Aufschub dessen, was kommen musste, aber zum ersten Mal seit Langem dachte Julius an etwas anderes als den Krieg. Er konnte es kaum erwarten, Elaine wiederzusehen.
    Logis’ Rückkehr dämpfte seine Begeisterung ein wenig. Nie zuvor hatte er daran gedacht, was der Ariana-Fürst von seinen Gefühlen für seine Tochter hielt. Es stimmte zwar, dass Logis ihn beinahe wie einen Sohn behandelte, aber Julius wusste nicht, welche Pläne er mit seiner Tochter hatte. Verunsichert und sich seiner Gefühle für Elaine zu bewusst mied er die Begegnung mit Logis so lange wie möglich. Allerdings ließ sich sein Plan nicht anhaltend durchführen, wollte er nicht ausgesprochen unhöflich erscheinen. Jetzt, am zwanzigsten Tag des zehnten Monats, war er sich noch immer nicht im Klaren, wie er Logis in Zukunft zu begegnen hatte. Aber wenigstens musste er diese Frage nicht in diesem Augenblick klären, denn so früh am Morgen war kaum jemand unterwegs. Das glaubte er zumindest, bis er gegen den Rücken eines hochgewachsenen, schlanken Mannes prallte. Ohne aufzusehen, murmelte er eine Entschuldigung und wollte weitergehen. Doch Logis, mit dem er zusammengestoßen war, hielt ihn zurück.
    „Julius!“, rief er sichtbar erfreut, „ich glaubte schon, du wärst nicht mehr in Arida.“
    Einen Moment lang starrte Julius den Fürsten von Ariana aus großen Augen an. Logis hatte sich sehr verändert. Zwar sprach er die gemeinsame Sprache Anorias noch immer ohne Dialekt oder Akzent, wie man es sonst nur von den Gildemitgliedern hörte, und seine Stimme klang gleichmäßig und kultiviert, doch mehr erinnerte nicht an den Mann, den Julius kannte. Logis war noch immer schlank, dabei aber viel muskulöser als früher. Sein inzwischen langes, helles Haar hatte er im Nacken zusammengebunden und sein Gesicht wirkte dunkler und entschlossener. Auch seine sehr distanzierte Art schien abgeschliffen und war einer zwanglosen Herzlichkeit gewichen, die keine Unterschiede zwischen dem Sohn des Königs und dem geringsten seiner Gefolgsleute kannte.
    „Logis!“, antwortete Julius und vergaß für einen Moment seine Befangenheit, „ich freue mich, dich wiederzusehen.“
    „Wo hast du nur die ganze Zeit über gesteckt? Arida ist kaum groß genug, um sich mehr als zwanzig Tage vor mir zu verbergen.“
    Julius erwiderte Logis’ Lächeln, aber die Bemerkung rief ihm wieder den Grund für seine Vermeidungsstrategie ins Gedächtnis. Er lächelte noch immer, doch wirkte sein Gesichtsausdruck jetzt etwas gezwungen. Verlegen und nervös knetete er den Stoff seines Mantels mit der linken Hand. Auch Logis bemerkte es und runzelte die Stirn.
    „Was ist denn mit dir los? Du wirkst so unruhig.“
    Der junge Prinz wusste nicht, was er antworten sollte. Für ihn war Logis immer eine Mischung aus Vaterfigur und Freund gewesen, mit dem er über alles reden konnte. Aber kein Vater war begeistert über die Beziehungen seiner Tochter. Logis schien seine Gedanken zu erraten. Seufzend gab er seine fröhliche Miene auf: „Es ist wegen Elaine, oder?“, er unterband Julius’ Protest mit einer schnellen Handbewegung. „Glaubst du, ich wäre blind? Seit deinem Besuch in Komar im letzten Winter weiß ich, was du für meine Tochter empfindest.“
    „Und du hast nichts dagegen?“
    „Warum sollte ich? Ich weiß ja noch nicht einmal, wie Elaine darüber denkt. Außerdem ist sie alt genug, allein zu entscheiden“, er betrachtete Julius’ verblüfftes Gesicht mit seinem feinsinnigen Lächeln, „aber du wirst sie zu nichts drängen. Und du wirst niemals vergessen, dass sie dir in Wissen und Verstand zumindest ebenbürtig ist. Solange du das nicht vergisst und meine Tochter mit Respekt behandelst, werde ich mich nicht einmischen.“
    Julius sah ihn erstaunt an. Warum nur hatte er diese Begegnung so lange gefürchtet? Er hätte wissen müssen, dass Logis nicht mit Drohungen oder wildem Gebrüll reagieren würde. Jetzt versprach er alles, was Logis verlangte. Es erschien ihm nur natürlich. Wie konnte jemand Elaine, dieses liebreizende, hochintelligente Mädchen, nicht mit

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