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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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sie seine Gedanken erraten, denn er sah das kurze Aufblitzen ihres Lächelns, bevor sie antwortete.
    „Ich muss mit Merla sprechen. Laurent sollte wissen, dass die Kandari wahrscheinlich das nächste Angriffsziel der Brochonier sind.“
    Plötzlich verstand François ihr Zögern. Er wusste, wie unangenehm es ihr war, wieder in eine Rolle gezwungen zu werden, die sie vor so langer Zeit aufgegeben hatte und auf die sie von Anfang an gern verzichtet hätte. Larenia gehörte zu den wenigen, die es ernst meinten, wenn sie behauptete, sie habe nie nach Macht gestrebt. Aber umso mehr sie sich um die Angelegenheiten der Kandari kümmerte, desto eher würde man von ihr erwarten, die Verantwortungen und Verpflichtungen einer zukünftigen Herrscherin wahrzunehmen.
    „Ja, nur dabei vergessen sie, dass die Bewahrer es niemals zulassen würden“, erschrocken sah François auf. Er hatte vergessen, wie deutlich sie seine unausgesprochenen Gedanken wahrnahm. „Dazu kommt, dass ich verbannt wurde und meinen Anspruch auf die Krone aufgegeben habe. Lass uns nicht mehr davon sprechen“, fügte sie in jenem kühlen, sachlichen und irgendwie abweisenden Tonfall hinzu, „du sprichst mit Julien und Logis und ich mit Merla. Dann werden wir weitersehen.“
    Damit war für sie das Thema beendet. Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück.
     
    Julien war sehr erfreut, als François ihm die Nachricht vom Waffenstillstand mit den Brochoniern überbrachte. Seit Logis’ Rückkehr glich er wieder mehr seinem früheren Ich. Er hatte sich von seiner Teilnahmslosigkeit befreit und schien nun bereit zu sein, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sein Volk zu beschützen. Bereits vor der Vereinbarung über eine Pause der Kampfhandlungen hatte er einen großen Teil der Bauern nach Hause geschickt, denn nachdem Logis mit seiner Armee nach Arida gekommen war, konnte er es sich leisten, ein paar seiner Soldaten zu verlieren. Doch während seines Gesprächs mit dem König merkte François, dass Larenia zu Recht in Logis den fähigeren Mann zur Verteidigung Anorias sah. Julien mochte ein guter und gerechter Herrscher sein, aber er war kein Heerführer. Zunächst konnte er sich nicht vorstellen, dass ein Mensch einem anderen absichtlich schaden sollte oder dass jemand für Macht oder Rache Unschuldige tötete. Auch fragte er nicht nach den Bedingungen des Waffenstillstandes. Allerdings war sich François nicht sicher, ob er wirklich so naiv war anzunehmen, die Brochonier täten irgendetwas aus purer Menschlichkeit, oder ob er es einfach nicht wissen wollte. Logis dagegen verstand sofort, auf welche Art der Gefahr sie sich einstellen mussten. Und er zögerte nicht, mit Julien über seine Befürchtungen zu sprechen. Dieser sah seinen Freund gequält an und schien nicht zu wissen, was nun geschehen sollte. Auch Logis hatte lange über diese Frage nachgedacht. Er verstand, wie kostbar die Zeit war, die ihnen die Gildemitglieder verschafft hatten, und er begriff wohl, dass es ihre letzte Möglichkeit war, Anoria auf die entscheidenden Schlachten vorzubereiten. Nach langen Diskussionen beschlossen sie, so viele Menschen wie möglich aus Aquanien und Firanien ins Gebirge zu bringen. Der Norden von Ariana wäre vielleicht noch sicherer gewesen, doch jetzt, da die Brochonier Komar und den Süden des Fürstentums erobert hatten, war der Weg dorthin zu gefährlich.
    Julius war genauso glücklich über den Waffenstillstand, doch hatte seine Freude andere Gründe. Jetzt, da die Gefahr zumindest vorübergehend gebannt war, bestand für ihn die Möglichkeit, Arida wenigstens für ein paar Tage zu verlassen. Seit jenen schrecklichen Ereignissen vor zwei Monaten hatte er sich aus der Stadt der Könige nicht mehr entfernt und sich lediglich noch mit seinen Aufgaben beschäftigt. In all dieser Zeit hatte er es vermieden, an Elaine zu denken. Zuerst hatte ihn die bloße Erinnerung an ihr Lächeln, den Klang ihrer Stimme oder ihre Art zu gehen zu sehr von seinen Pflichten abgelenkt. Dann, als Patricias Verrat aufgedeckt wurde, war diese Erinnerung sein Trost gewesen. Sie hatte ihm die Tatsache ins Gedächtnis gerufen, dass es noch einen Menschen gab, der sich um ihn sorgte außer seiner Mutter, die ihn wegen eines größenwahnsinnigen Traums verraten hatte, oder seinem Vater, der sich in trüben Gedanken und Zweifeln verlor. Aber mit jedem Tag, der verging, ohne dass sich etwas an seiner Situation änderte, mischte sich mehr Bitterkeit in seine Erinnerung. Manchmal

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