Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Kräfte einzusetzen. Stattdessen begrüßte er sie mit der ruhigen und beinahe übermäßig exakten Höflichkeit der Diplomaten. Dann richtete er beinahe übergangslos seine Aufmerksamkeit auf Larenia: „Baruk ist mit eurem Vorschlag einverstanden. Es wird einen Waffenstillstand zwischen den Anorianern“, er betonte dieses Wort und schien auf eine bestimmte Reaktion zu warten, aber Larenia sah ihn nur unverwandt und undurchdringlich an, „und meinem Volk geben von diesem Moment an bis zum Ende des Winters. Das Abkommen gilt für organisierte Angriffe magischer und physischer Art. Allerdings kann ich nicht für das Verhalten jedes einzelnen brochonischen Soldaten garantieren. Seid ihr einverstanden?“
Larenia sah ihn einen Moment lang durchdringend an. Sie drehte sich nicht zu François um, aber er konnte ihre Gedanken auch so deutlich genug wahrnehmen: Siehst du, genau das habe ich gemeint. Doch wie könnte ich nicht darauf eingehen?
Sie antwortete mit ihrer kühlen Stimme, die es unmöglich machte, ihre persönliche Meinung zum Angebot der Brochonier zu erkennen: „Ein Waffenstillstand zwischen Anoria und Laprak“, wiederholte sie und das Funkeln ihrer Augen widersprach dabei ihrem neutralen Tonfall, „im Namen der Anorianer nehme ich euer Angebot an.“
Malicius schien bei diesen Worten erleichtert. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie so schnell zustimmen würde. Mit einem eisigen Lächeln, das seine Gesichtszüge sonderbarerweise härter und grausamer wirken ließ, griff er nach einer Pergamentrolle, die neben ihm gelegen hatte, und stand auf: „Dann wird es euch sicherlich nichts ausmachen, diesen Vertrag zu unterzeichnen.“
„Das werde ich nicht tun“, erwiderte sie mit breitem Lächeln und spöttischem Blick, „denn, falls ihr es vergessen habt, ich bin keine Anorianerin.“
Einen Augenblick lang betrachtete sie vergnügt das entgleiste Gesicht des Druiden. Dann wurde sie wieder ernst: „Wenn ihr unbedingt einen Vertrag braucht, fragt, wen ihr wollt, doch haltet euch an eure eigenen Bedingungen. Wir werden sie nicht vergessen, dessen seid gewiss.“
Sie wandte sich um und ging. Malicius starrte ihr fassungslos nach. Diese Formulierung war seine Idee gewesen und er ahnte bereits, dass sein Versagen Konsequenzen haben würde. Er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass Larenia seine eigene List gegen ihn verwenden würde.
„Bist du sicher, dass es klug war, die Brochonier zu provozieren, Larenia?“
Sie zuckte mit den Schultern: „Was könnte Malicius tun? Uns verfolgen? Das glaube ich kaum“, tatsächlich waren sie noch am gleichen Abend nach ihrem Treffen losgeritten. Inzwischen neigte sich der nächste Tag seinem Ende zu und sie hatten Magiara fast erreicht. „Wenn es eine Vergeltungsmaßnahme geben sollte, wird es zu einem späteren Zeitpunkt und mit größerer Gewalt geschehen, und zwar unabhängig von dem, was ich gesagt oder getan habe.“
François widersprach ihr nicht, er wusste, dass sie recht hatte. So seufzte er nur und blickte in die Ferne. Am Horizont konnte man bereits die Umrisse Aridas erkennen, die selbst im grauen Dämmerlicht groß und majestätisch wirkten.
„Was wird als Nächstes geschehen? Hast du schon einmal darüber nachgedacht?“
„Die Brochonier werden uns belauern und auf eine Schwachstelle in unserer Verteidigung warten“, so hatte François es nicht gemeint, das wusste sie genau, dennoch zögerte sie,, zu antworten. Als sie schließlich weitersprach, tat sie es mit einem Widerwillen, den sich François zuerst nicht erklären konnte. „Du wirst morgen mit Julien sprechen und ihm vom Ergebnis der Verhandlung berichten. Logis sagst du, dass wir mit keinem großen Angriff, wohl aber mit kleineren Überfällen, wenn wir es am wenigsten erwarten, rechnen müssen. Was sie mit der Zeit, die wir ausgehandelt haben, anfangen wollen, müssen die Menschen schon selber entscheiden.“
„Soll ich wirklich mit Logis sprechen? Nicht mit Julien? Immerhin ist er der König von Anoria.“
„Das mag sein, doch seit Patricias Verrat hat er sich nicht unbedingt so verhalten. Aber das ist im Augenblick nicht unser Problem. Wir haben schon genug Sorgen.“
„Und was hast du vor?“, er hatte diese Frage in einem sehr vorsichtigen Tonfall gestellt, denn er wollte Larenia nicht bedrängen. In letzter Zeit hatte sie auf jedes derartige, noch so zaghafte Nachfragen mit einem kühlen Blick und noch kälterem Schweigen reagiert. Wahrscheinlich hatte
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