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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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würdest.“
    Mit wenigen schnellen Schritten erreichte er Larenia und riss sie beglückt in eine heftige Umarmung. Dann zog er sie ins Licht und betrachtete sie mit dem verzückten Blick eines Großvaters, der seinen Lieblingsenkel nach langer Zeit wiedersieht.
    „Du siehst sehr gut aus. Verändert“, fügte er mit einem Seitenblick auf ihr weißes Haar hinzu, „aber gut.“
    „Sibelius, ich freue mich auch, dich wiederzusehen“, atemlos und ohne sich vollkommen von ihrer Überraschung erholt zu haben, versuchte Larenia, sich aus seinem Griff zu befreien, „trotzdem könntest du mich jetzt wieder loslassen.“
    Merla und Arthenius hatten diese Begrüßung erstaunt beobachtet. Es kam ausgesprochen selten vor, dass es jemand schaffte, Larenia aus dem Konzept zu bringen, und das war Sibelius gründlich gelungen. Seine Überschwänglichkeit stand im völligen Gegensatz zu ihrem reservierten Wesen und sie stand dieser Herzlichkeit etwas hilflos gegenüber.
    „Kommt herein!“, mit einer ausholenden Handbewegung schloss er auch Arthenius und Merla in seine Einladung ein, „dann könnt ihr mir beim Abendessen erzählen, was euch zu mir führt.“
    Ohne ihre Reaktion abzuwarten, schob er Larenia durch die Tür, dann ließ er die beiden anderen eintreten, bevor er hinter ihnen die Haustür schloss.
     
    Sibelius war einer der ältesten lebenden Kandari. Er wurde noch vor Beginn des ersten Zeitalters geboren, in einer Epoche, in der die Kandari von den Menschen verfolgt wurden und sie letztendlich nur durch die Flucht in die Wüste ihr Leben und ihre Freiheit retten konnten. Sonderbarerweise wirkte vieles in seinem Verhalten und in seinem Aussehen ausgesprochen menschlich. Anders als die meisten Kandari schien er auf schwer zu beschreibende Weise sehr alt zu sein. Er war groß und kräftig und niemand käme auf die Idee, ihn als gebrechlich zu bezeichnen, aber ein Netz aus feinen Fältchen durchzog sein Gesicht und sein Haar war nicht blond oder silbern, sondern grau. Wirklich überraschend waren seine durchdringenden dunkelbraunen Augen, die so unglaublich viel gesehen hatten und die mehr als alles andere sein wahres Alter erahnen ließen. Die unzähligen Generationen, die zwischen ihm und den jüngeren Kandari wie Larenia und Arthenius lagen, hatten das Aussehen und Verhalten seines Volkes verändert und manchmal erschienen sie ihm genauso fremdartig und unheimlich, wie er selbst einst auf die Menschen gewirkt hatte.
    Bereits in der Regierungszeit von Raphael, dem ersten König der Kandari, war er Waffenmeister der Armee gewesen. In den darauf folgenden Jahrhunderten war er zuerst stellvertretender und schließlich oberster Heerführer geworden. Unter seinem Befehl war die Armee eine Art Staat im Staat geworden, denn Sibelius kümmerte sich nicht um die, wie er dachte, seltsamen Vorstellungen der Bewahrer von Regierung und Verfassung. Seine Stellung verlieh ihm eine gewisse Immunität, die er dazu nutzte, sich selbst und seinen Soldaten ein möglichst angenehmes und ruhiges Leben zu ermöglichen. Doch in dem Moment, in dem er Larenia auf seiner Türschwelle stehen sah, war ihm klar, dass sich dies nun bald ändern würde.
    Jetzt lauschte er dem Bericht seiner Gäste. Natürlich hatte er von dem Krieg gewusst, ebenso, wie ihm klar war, dass sich der Zorn der Brochonier eigentlich gegen die Kandari richtete. Allerdings gehörte für ihn und alle anderen Angehörigen seines Volkes alles jenseits der Grenze von Hamada zu einer anderen Welt und erschien damit weit weg und unwichtig. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass die Brochonier beinahe ganz Anoria erobert hatten und wie wenig sie damit von einem Feldzug gegen Hamada trennte. Als Larenia und Arthenius, die sich in ihrer Erzählung abgewechselt hatten, schließlich verstummten, seufzte er tief.
    „Was erwartet ihr nun von mir?“, er sah, wie Merla Luft holte für eine entsprechende Antwort. Er kannte ihre Meinung zu dem Thema bereits und so brachte er sie mit einer schnellen Handbewegung zum Schweigen: „Oh, ich weiß. Ihr wollt, dass ich samt Armee in Anoria einmarschiere und die Brochonier in die Flucht schlage. Aber zumindest dir“, dabei sah er Larenia an, „sollte klar sein, dass ich kein Rebell bin. Ich kann nicht ohne Befehl des Königs handeln. Und nach allem, was ihr mir über die brochonischen Druiden erzählt habt, bin ich mir nicht sicher, ob euch allein meine Unterstützung helfen würde.“
    Larenia antwortete nicht sofort. Lange Zeit blickte sie in

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