Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
auf sein Haus, „nichts von diesem Teil deines Plans.“
Mitfühlend sah er sie an. Sie saß noch immer regungslos in verkrampfter Haltung neben ihm, ohne etwas zu sagen oder auch nur aufzusehen. Leiser und voller Wärme sprach er weiter: „Du willst die Welt verändern und dabei machst du es dir unendlich schwer“, tröstend und väterlich strich er über ihr weißes Haar und jetzt endlich sah sie zu ihm auf, „es hätte eine andere Möglichkeit gegeben, Larenia.“
„Einen langen Kampf mit unzähligen Opfern und ungewissem Ende? Das kann ich nicht zulassen.“
Sibelius seufzte: „Nein, das kannst du wohl nicht. Und ich kann dich für deine Entscheidung nicht einmal kritisieren. Aber du zahlst einen hohen Preis“, er stand auf und ließ den Blick durch seinen friedlichen Garten schweifen, bevor er sich wieder an Larenia wandte, „du willst sicher mit Laurent sprechen. Ich werde mich darum kümmern, Lari.“
Er drehte sich um und ging zurück in sein Haus. Aber Larenia blieb noch lange auf der Bank sitzen.
Langsam verging die Nacht. Die Dunkelheit wich der grauen Dämmerung und schließlich ging strahlend und schön die Sonne auf. Das rotgoldene Morgenlicht hüllte Anaiedoro ein, verbarg die Spuren des Verfalls und schimmerte durch die Fenster von Sibelius’ Haus. Gedämpft drangen die Geräusche der erwachenden Stadt durch die Mauern des Anwesens, der leise Klang vieler verschiedener Stimmen, manche aufgeregt und geschäftig, andere zögernd und mit einem ängstlichen Unterton, das hastige Trappeln eiliger Schritte und das Zuschlagen der schweren Türen. Es waren die Geräusche, die zum Alltag in Anaiedoro gehörten, das oberflächliche Geplänkel, dem es nicht gelang, die Spannung, das furchtsame Zittern und den ständigen Argwohn zu überspielen. Seit beinahe dreihundert Jahren war das Leben in Hamada auf diese Weise weitergegangen. Nichts hatte sich verändert.
Während die Stadt allmählich aus ihrem Schlaf erwachte, stand Merla am Fenster des Wohnzimmers und trommelte mit den Fingerspitzen auf das Fensterbrett. Vor einer Weile hatte sie gehört, wie Sibelius das Haus verlassen hatte. Seitdem er sie am vorigen Abend allein gelassen hatte, hatte er nicht mehr mit ihnen gesprochen. Merla hätte gern gewusst, was er zu Larenia gesagt hatte und was er jetzt plante, aber sie wagte nicht, ihn oder die Gildeherrin zu fragen. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, still zu stehen und abzuwarten. Kurz entschlossen drehte sie sich zu Arthenius um, der am Tisch saß und den Kopf in beide Hände gestützt hatte.
„Ich habe meinen Teil der Vereinbarung erfüllt“, sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn beinahe herausfordernd an, „was passiert jetzt?“
Langsam hob er den Kopf, doch für den Bruchteil eines Augenblicks war sie sich sicher, dass er sie nicht erkannte, dass er sie nicht einmal sah. Dann blieben seine ernsten grauen Augen an ihrem Gesicht hängen und auf schwer zu beschreibende Weise schien sein Blick klarer zu werden. Der leere, abwesende Ausdruck verschwand und wich dem ruhigen, freundlichen Lächeln, das kennzeichnend für ihn war. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, streckte die Beine aus und blickte zu Merla auf. Dabei übersah er geflissentlich ihre herausfordernde Haltung.
„Du wolltest mir erzählen, was aus Anila geworden ist. Dies scheint mir ein guter Moment dafür zu sein.“
Ihre Frage ignorierte er. Vielleicht hatte er sie tatsächlich nicht gehört. Merla funkelte ihn zornig an, bevor sie sich auf die Lippen biss und beschloss, dass sie sich jetzt nicht aufregen würde. Stattdessen setzte sie sich gegenüber von Arthenius an den Tisch und runzelte nachdenklich die Stirn.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, begann sie schließlich und ihre Stimme schwankte unsicher, „bestimmt weißt du, dass die Bewahrer Laurents Handlungen schon lange kontrollieren, und sicherlich weißt du viel besser als ich, wie sie das fertigbringen.“
Arthenius nickte: „Telepathische Kontrolle“, murmelte er, „so können sie nicht nur die Taten, sondern auch die Gedanken des Königs lenken. Es ist erstaunlich, wie perfekt die Bewahrer diese Form der Manipulation beherrschen. Es erfordert sehr viel Kraft und noch größere Konzentration, aber sie haben ebenso wie die brochonischen Druiden gelernt, ihre Kräfte zu vereinen, und das verleiht ihnen unglaubliche Fähigkeiten“, er erinnerte sich wieder an Merlas Anwesenheit und sah sie mit hochgezogenen
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