Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Hilfe seine Anwesenheit bieten konnte. So blickte er François nach, als er sich auf sein Pferd schwang und durch das Schlosstor ritt, bevor auch er zur Stadtmauer zurückkehrte.
Mit größtmöglicher Geschwindigkeit ritt François durch die verwinkelten Straßen von Arida. Anders als Pierre zweifelte er nicht an Felicius’ Fähigkeiten. Im Gegenteil. Er wusste, dass Felicius einer der mächtigsten lebenden Kandari war. Allerdings war er, mehr noch als Larenia, ein hoffnungsloser Idealist. Wenn man ihn finden wollte, brauchte man nur nach dem Ort des größten Elends suchen. Und so war es auch dieses Mal.
François bog um eine weitere Ecke und verlangsamte sein Tempo. Hier, in einem der Armenviertel der Stadt, türmten sich Karren und Lumpen auf der Straße. Dazwischen saßen Menschen, ärmliche, kranke Menschen, die nicht die Kraft besaßen, Arida zu verlassen.
Er sprach einen von ihnen an, doch der Mann warf ihm nur einen trüben Blick zu. Er schien die Worte des Elfen nicht einmal zu verstehen. So bahnte sich François weiter einen Weg durch die Müllhaufen. Und schließlich fand er Felicius. Er kniete neben einer alten Frau, die jammernd und hustend an einer Hauswand lehnte, und sprach beruhigend auf sie ein.
„Felicius!“
Er reagierte nicht. Stattdessen legte er der Frau die Hand auf die Stirn. Einen Augenblick später hörte sie auf zu husten.
„Felicius, es ist so weit!“
Jetzt endlich stand er auf.
„Ich habe dich beim ersten Mal gehört. Du musst nicht so schreien.“ Er drehte sich zu François um. Zwischen den schmutzigen Menschen, die kaum von den Müllhaufen zu unterscheiden waren, wirkte er mehr denn je wie eine Lichtgestalt. „Was erwartest du von mir? Wenn die Brochonier angreifen, werde ich euch kaum eine Hilfe sein. Aber die Menschen hier brauchen mich.“
François seufzte. Genau das hatte er erwartet: „Selbst die kleinste Hilfe ist von Nutzen. Bringe diese Menschen in den oberen Ring und dann komm zum Palast. Wir haben noch einen, höchstens zwei Tage Zeit.“ Er wendete sein Pferd und wollte zurückreiten.
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun. Ihnen mit dem Schwert in der Hand entgegentreten? Ich bin kein Krieger.“
„Tu dein Bestes, so armselig es auch sein mag. Wenn wir sie nur eine kurze Zeit aufhalten können, ist noch nicht alles verloren.“
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke. In diesem kurzen Augenblick dachten sie beide das Gleiche. Larenia.
Logis schritt die erneuerte Stadtmauer, jene Mauer, die den ersten vom zweiten Ring der Stadt trennte, entlang. Auf der Seite, die dem Hafen zugewandt war, war sie bereits besetzt, doch ließen die Soldaten den Arianer-Fürsten nicht gerade hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Pierre hatte sich entschieden, die mittlere Verteidigungslinie ausschließlich aus Freiwilligen zusammenzusetzen. Es waren Bauern, Handwerker und Händler, bewaffnet mit Wurfspeeren, Bögen und Armbrüsten. Manche wirkten grimmig entschlossen, andere verzweifelt, doch jeder Einzelne hatte schreckliche Angst. Inmitten der zitternden, verängstigten Menge schien Pierre eine Insel der Ruhe und Zuversicht zu sein. Er gab mit ruhiger Stimme Befehle, denen tatsächlich nachgekommen wurde. Logis bahnte sich seinen Weg durch die Reihen und trat auf den Elfen zu: „Wie sieht es aus?“
„Im Hafen habe ich die Stadtwachen postiert und der Palast wird von der königlichen Garde beschützt. Späher und Botschafter stehen bereit. Ich habe getan, was ich konnte …“, er brach ab und sah sich um. Langsam kehrte zumindest der Anschein von Ordnung in die Reihen der Freiwilligen ein, dennoch war nur zu offensichtlich, wie unzureichend all ihre Maßnahmen waren.
„Gibt es überhaupt Hoffnung?“, Logis hatte diese Frage nicht stellen wollen. Er hatte versucht, seine Zweifel während all der Vorbereitungen zum Schweigen zu bringen. Doch jetzt, da sogar Pierre zu verzagen schien, konnte auch Logis den Schein von Zuversicht nicht länger wahren.
„Es gab niemals viel Hoffnung. Mit Waffengewalt können wir nicht gewinnen“, doch dann lächelte Pierre unvermittelt, „aber seid unbesorgt. Noch ist nicht alles verloren.“
Einen Moment lang schwiegen sie. Jeder sah seine eigenen Ängste in den Augen des anderen widergespiegelt. Dann wandte sich Pierre abrupt ab.
„Wir müssen den Hafen so lange wie möglich verteidigen. Nur so können wir einen Fluchtweg aufrechterhalten.“
„Warum hast du die Freiwilligen hier postiert? Wäre es nicht besser,
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