Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Wissen und ihrer Erfahrung hatten eine Lösung für das Dilemma, in dem sie sich befanden. Schließlich, als alle Anwesenden weiterhin verbissen schwiegen, seufzte Julien: „Da es keinen anderen Ausweg zu geben scheint …“, er unterbrach sich und holte tief Luft, „meine Pflicht liegt bei meinem Volk. Ich werde tun, was am besten für Anoria ist. Wenn ich durch eine Kapitulation nur einen einzigen Anorianer retten kann, so ist klar, was ich tun muss. Im Austausch für das Wohlergehen meines Volkes werde ich mich als Geisel anbieten.“
In diesem Augenblick ertönte am anderen Ende des Saals ein erschrockener Aufschrei, gefolgt vom lautstarken Zuschlagen einer Tür. Hastige Schritte näherten sich dem König und seinen Beratern.
„Vater! Das darfst du nicht tun!“
Julien und seine Berater sahen sich um. Da stand Julius, staubig, mit Ruß im Gesicht und blankem Entsetzen über den Vorschlag seines Vaters in den Augen.
Trotz der ernsten Situation lächelte der König: „Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, mein Sohn“, er sah Logis an, dann die Gildemitglieder und dann wieder seinen Sohn, bevor er weitersprach, „doch ich fürchte, für uns gibt es keine andere Möglichkeit mehr.“
„Vielleicht gibt es doch noch einen Weg.“
Larenia schien wie gewöhnlich aus dem Nichts aufzutauchen. Allerdings hatte sie einen Teil ihrer überirdischen Aura eingebüßt dank der Tatsache, dass ihr Mantel zerfetzt und verkohlt, ihr Haar angesengt war.
„Wie siehst du denn aus?“
Sie warf Pierre einen ihrer ironischen Blicke zu, bevor sie sich wieder an den König wandte: „Gebt uns noch einen Tag. Es gibt eine letzte Chance, etwas, das wir noch versuchen können. Wenn wir versagen, tut, was ihr für richtig haltet.“
Julien, zu erstaunt, um antworten zu können, nickte nur. Inzwischen kam es auf einen Tag mehr oder weniger nicht mehr an. Aber dieser Tag konnte den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen.
Die Gilde verließ den Thronsaal und überließ Julius und Julien ihrer Wiedersehensfreude.
Der Säulengang vor dem Thronsaal war verlassen. Die Gildemitglieder waren nur wenige Schritte gegangen, als Larenia wieder stehen blieb. Erschöpft lehnte sie sich gegen eine Säule und für einen Moment schloss sie die Augen. Sofort prasselte ein Hagel von Fragen auf sie hernieder, aber sie schüttelte nur den Kopf, ohne zu antworten. Schließlich sah sie zu Philipus auf: „Erzähl mir etwas über die Brochonier.“
„Was willst du hören? Du weißt mehr über sie als jeder von uns“, Larenia wollte widersprechen, aber Philipus redete schon weiter: „Es ist nicht allein ihre zahlenmäßige Überlegenheit. Ich bin sicher, Pierre und François wären damit fertiggeworden. Aber sie haben mindestens zehn Druiden dabei. Wir haben versucht, sie mit unseren Kräften anzugreifen. Eines ihrer Schiffe konnten wir so versenken, doch seitdem scheinen sie gegen alles gewappnet zu sein. Und sie haben den unteren Ring der Stadt angezündet. Wir konnten das Feuer eindämmen, jedoch war es unmöglich, es zu löschen. Uns fehlt einfach die Kraft, ihren Schutzschild zu durchbrechen“, Philipus verstummte. Larenia schien tief in Gedanken versunken. Er war sich nicht sicher, ob sie ihm überhaupt zugehört hatte.
Nach einer längeren Pause sagte sie endlich: „Ich habe versucht herauszufinden, warum sie uns so schnell angreifen konnten“, die Gilde war schon zu lange an ihre plötzlichen Gedankensprünge gewöhnt, um sich jetzt zu wundern und so unterbrach sie niemand, „Navalia hat uns verraten. Sie haben den Brochoniern Informationen und Schiffe geliefert. Ich habe es lange befürchtet, aber ich hatte gehofft, dass ich mich irre.“
Wieder schien sie die überraschten und erschrockenen Gesichter der anderen Gildemitglieder nicht wahrzunehmen. Arthenius war der Einzige, der nicht völlig verblüfft war: „Was ist mit Merla?“
„Sie war nicht begeistert, mich zu sehen. Aber sie wird uns helfen.“
Wieder schwieg sie lange Zeit. Das war ihre Art, dem Thema auszuweichen, dass sie, wie sie wusste, bald ansprechen musste.
„Ich habe versucht, euch zu helfen. Viel konnte ich aus der Entfernung nicht tun, aber immerhin haben die Brochonier euch nicht mit ihrer Magie angegriffen. Es war sehr schwierig –“, sie brach ab und senkte den Blick. Als sie wieder aufsah, widerspiegelte sich in ihrem Gesicht die Angst vor dem, was kommen musste. Gehetzt blickte sie von einem zum anderen: „Was soll nun
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