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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Mal das meiste ab, obwohl er drei Jahre älter und um einiges größer und kräftiger als Owen war.
    Â»Du benimmst dich wie ein dummer Junge«, sagte Margaret Richmond nach einem besonders hitzigen Kampf zu Andrew. Die beiden Jungen standen vor ihr und warteten darauf, dass sie ihnen die blutenden Schrammen abtupfte und die blauen Flecken untersuchte. »Bist du nicht alt genug, um es besser zu wissen?«
    Â»Es war seine Schuld«, protestierte Andrew. »Er ist immer schuld. Er fängt an, und wenn wir ausgeschimpft werden, spielt er das Unschuldslamm.«
    Â»Du bist drei Jahre älter als er«, sagte Margaret. »Du solltest der Klügere sein.« Sie wandte sich zu Owen um und sah ihn finster an. »Und du solltest für all das, was dein Onkel und deine Tante für dich getan haben, dankbar sein, statt hier jeden Tag für Unheil zu sorgen. Schau dir das Gesicht deines Cousins an.« Sie zeigte auf Andrews Augen, unter denen die Blutergüsse sich dunkel verfärbten. »So benimmt man sich doch nicht.«
    Owen blieb ungerührt. Die Einzige, die er mochte, war Stella, die ihre Meinung über ihn jedoch täglich zu ändern schien. Zu Anfang hatte ihr die Anwesenheit eines weiteren Kindes im Haus gefallen. Owen war ein knappes Jahr jünger als sie, und wenn sie zusammen spielten, konnten sie die Welt ringsum vergessen. Erst als sie älter wurde, beschloss sie, sich an seiner Gegenwart zu stören, und warf ihn aus ihrem Zimmer, wenn er kam, um mit ihr zu reden. Für ein Jahr oder auch zwei ignorierte sie ihn gänzlich.
    Als Stella ungefähr zwölf Jahre alt war, kamen die beiden Kinder sich wieder näher, und in den Jahren danach waren sie einander innig verbunden. Dann starb Andrew. Die Familie zerfiel, wurde zu Einzelteilen, die sich aus Angst, es könne eine Explosion geben, nicht mehr vermischten. Ann blieb wochenlang im Bett, Peter zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und dachte über seine zerstörte Familie nach. Stella verkroch sich in ihrem Zimmer. Nur Owen gelang es, in diesen schwierigen Monaten Haltung zu bewahren, obwohl er derjenige gewesen war, der das Ende seines Cousins miterlebt hatte.
    Â»Was genau ist passiert?«, fragte Peter ihn Stunden nach der Tragödie unter Tränen. »Wie konnte es dazu kommen?«
    Â»Das ist schwierig zu beschreiben«, antwortete Owen. »Er lud sein Gewehr und wartete auf ein Kaninchen. Ich habe dabei nicht einmal zugesehen, doch als er abdrückte, warf es ihn zurück, und er ging zu Boden. Es war schrecklich. Vielleicht war das Gewehr nicht richtig gereinigt worden, oder es hatte eine Fehlzündung.« Er brach in Tränen aus und weigerte sich, noch mehr darüber zu sagen. Auch der Arzt riet jedermann, den Jungen nicht zu weiteren Erklärungen zu zwingen, da dergleichen sein Trauma verstärken könne.
    Wenige Monate später, kurz vor ihrem siebzehnten Geburtstag, wurde Stella von der Schule genommen und für ihren Abschluss in ein Internat in Genf geschickt. Das war Margret Richmonds Idee gewesen. Mit großer List war es ihr geglückt, Peter Montignac von der Vernunft dieses Schrittes zu überzeugen. Zuerst hatten er und Ann gezaudert, doch dank Margarets Überredungskunst hatten zu guter Letzt beide nachgegeben.
    Danach sah Owen seine Cousine nahezu zwei Jahre lang nicht mehr. Natürlich schrieb er ihr, doch Stella antwortete ihm nie. Wenn er genug Geld gespart hatte, um sie in Genf anzurufen, nahm sie seine Anrufe nicht entgegen und rief ihn auch nie zurück. Als sie schließlich nach Leyville zurückkehrte, war er bereits in Cambridge, und ihre Wege kreuzten sich nur noch selten. Wenn sie sich sahen, verhielt Stella sich distanziert und vermied es, sich allein mit ihm in einem Zimmer aufzuhalten. Owen war am Boden zerstört.
    Jahrelang hatte sich an dieser Situation nichts geändert. Sie waren Cousin und Cousine, hatten sich einmal sehr nahegestanden und sprachen dann kaum noch miteinander. Die Gründe dafür waren keinem von ihnen ganz klar, doch jeder fühlte sich von dem anderen verraten, wenngleich vielleicht nur einer von ihnen unter dem Verlust des anderen litt. Wenn Owen jetzt an Stella dachte, war sie jemand, für den er einst bereit gewesen wäre, sein Leben zu opfern, die Einzige unter seinen englischen Verwandten, die ihm jemals etwas bedeutet und die ihn grausam verraten hatte. Die offenbar über Nacht entschieden hatte,

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