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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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erklärte Peter. »Er muss herkommen und bei uns wohnen.«
    Â»In Leyville?«
    Â»Natürlich. Wo denn sonst?« Peter las den Brief noch einmal durch. »Er ist immer noch ein Montignac. Wir können ihn nicht in einer anderen Familie aufwachsen lassen, geschweige denn in einer ausländischen.«
    Â»Aber er kennt uns doch gar nicht«, wandte Ann ein. »Die Familie Reims dagegen kennt er von Geburt an.« Auch sie vertiefte sich noch einmal in den Brief. »Offenbar handelt es sich um eine große Familie. Seine Großeltern kümmern sich bereits um drei Enkelsöhne und eine Enkeltochter. Ich bin sicher, dass sie auch für ihn sorgen werden.«
    Â»Er ist erst fünf Jahre alt, Ann«, betonte Peter streng. »Das können wir ihm nicht antun. Die Montignacs sollten hier sein. In Leyville.«
    Ann behagte die Aussicht zwar nicht, aber letztlich blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als einzuwilligen. Peter schrieb nach Frankreich und bestand darauf, dass der Junge umgehend nach England verschifft werden solle. Zuerst weigerte sich Owens Großmutter, den Jungen ziehen zu lassen, doch Peter drohte mit gesetzlichen Schritten und hob hervor, er sei eher in der Lage, dem Kind das richtige Zuhause zu bieten. Zu guter Letzt gab Owens Großmutter nach. Peter überwies ihr das Geld für die Überfahrt. Wenige Wochen später holte er Owen in Dover ab.
    Â»Ich bin nur froh, dass dein Vater das nicht mehr erlebt«, bemerkte Ann am Abend vor Owens Ankunft. »Wenn er es wüsste, würde er sich im Grab umdrehen.«
    Â»Das, was zwischen Henry und Vater vorgefallen ist, hätte nie geschehen dürfen«, entgegnete Peter, wenngleich er der Nutznießer dieses Zerwürfnisses gewesen war. »Dabei haben sie beide verloren. Es ist ja auch nicht so, als hätte die Ehe meines Bruders und seiner Frau nicht funktioniert. Ich nehme an, sie waren glücklich miteinander. Der arme Junge hat kurz nacheinander beide Eltern verloren und wird traumatisiert sein. Es ist unsere Verantwortung, an ihm das wieder gutzumachen, was seinem Vater entgangen ist. Vergiss nicht, Henry war mein Bruder. Wir sind zusammen groß geworden.«
    Â»Von Rechts wegen steht dem Jungen Leyville zu. Glaubst du nicht, dass er es eines Tages beanspruchen wird?«
    Â»Es steht ihm nicht zu«, widersprach Peter entschlossen. »Vater hat es mir vermacht. Und ich werde es Andrew hinterlassen. Für den Jungen wird gesorgt werden. Dafür wird er dankbar sein.«
    Der kleine Owen hatte ein Foto in Sepiatönen von seinen Eltern, das er in seinem Nachttisch aufbewahrte. Es war an ihrem Hochzeitstag aufgenommen worden, zeigte sie jedoch in einer solch gespenstischen Blässe, dass es kaum als Erinnerung taugte. Insbesondere das lange blonde Haar seiner Mutter und das gewellte blonde Haar seines Vaters hoben sich geisterhaft vor dem dunklen Hintergrund ab.
    Â»Du weißt, dass dein Vater enterbt wurde«, sagte Andrew ein oder zwei Jahre später nach einem Streit zu Owen. »Er hat Großvater verärgert und wurde ohne einen Penny aus Leyville verstoßen.«
    Â»Nein«, widersprach Owen mit der Logik eines Kindes, das seinen Glauben nur auf das stützt, was es erfahren hat, »wir haben immer in Frankreich gelebt. Hier waren wir vorher noch nie.«
    Â» Du warst vorher nie hier«, belehrte Andrew ihn. »Aber dein Vater ist hier aufgewachsen. Zusammen mit meinem Vater. Dein Vater war der ältere Bruder, aber als er geheiratet hat, gab es Ärger, und er hat sich nach Frankreich verdrückt.«
    Montignacs Augen verengten sich. Er wusste nicht genau, was »verdrückt« bedeutete, doch irgendetwas an dem Klang gefiel ihm nicht. Seit seiner Ankunft hatte er sich große Mühe gegeben, seinen französischen Akzent abzulegen, denn die Jungen in der Schule hatten ihn deswegen gehänselt, aber hier und da brach er doch wieder durch, und plötzlich entsann er sich auch einer Reihe französischer Flüche, die er seinem Cousin jetzt an den Kopf warf.
    Â»Hey, du sollst hier nicht wie ein Franzmann sprechen«, sagte Andrew. »Hat mein Vater dir das nicht immer wieder gesagt?«
    Das Verhältnis der beiden Jungen barg eine gewisse Spannung. Für den Großteil der Zeit vertrugen sie sich, aber dieses Einvernehmen konnte sich stündlich ändern, und dann wälzten sie sich auf dem Boden und droschen aufeinander ein. Dabei bekam Andrew jedes

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