Das Vermächtnis der Montignacs
dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, und ihn mit Verachtung strafte. Wenn er an das Boshafte und Rachsüchtige ihres Verhaltens dachte, raubte es ihm den Atem. Es war, als habe sie den Wunsch, ihn auf Dauer zu verletzen.
Stella wusste, dass es anders war. Sie kannte die Wahrheit, die es ihr erschwerte, mit ihm allein zu sein, doch die konnte sie ihm nicht verraten. Sie fand, sie hatte kein Recht, ihn noch mehr zu verletzen. Darüber hinaus wusste sie nicht, welche Folgen es hätte, würde sie ihm die Wahrheit sagen.
7
Nachdem das Lager oben in der Threadbare-Galerie vor einigen Tagen geöffnet worden war, roch es dort nicht mehr ganz so modrig, und nach einer notdürftigen Reinigung war es auch nicht mehr so schmutzig wie in der Nacht, als Montignac und Gareth den Speicher erstmals als Durchgang zur Clarion-Galerie benutzt hatten. Am letzten Abend vor dem Versand der Gemälde nach Edinburgh hatten die beiden Männer oben in der Threadbare zwölf stabile Rahmen liegen, die, falls sie richtig gemessen hatten, dem jeweiligen Umfang der Cézanne-Gemälde entsprachen.
»Ich hoffe, nebenan haben sie die Gemälde heute verpackt«, sagte Montignac auf dem Weg die Treppe hinauf. »Und dass sich alle noch im selben Raum befinden. Wenn sie umgelagert wurden, sind wir erledigt.«
Die Bodenluke lieà sich ohne Weiteres anheben. Die niedrige Passage zur Clarion zu durchqueren war zwar immer noch beschwerlich, doch diesmal wussten sie wenigstens, dass sie zum gewünschten Ziel führte. Ohne groÃe Mühe schlüpfte Montignac als Erster in den Restorationsraum seines Nachbarn.
Gareth hatte den Tag in gespannter Erwartung verbracht und den Abend herbeigesehnt. Bisher war ihm Montignacs Plan wie ein groÃes Abenteuer erschienen, wie einer der Streiche, die er in seiner Schulzeit in Harrow ausgeheckt hatte. Erst als der Abend nahte, kam ihm allmählich der Gedanke, dass er im Begriff war, ein Verbrechen zu begehen.
Er besann sich auf die Gesetzestexte, die er studiert hatte, und versuchte, sich an die Strafen zu erinnern, die auf Kunstraub standen. Sie fielen ihm nicht ein, denn dummerweise hatte er in etlichen Vorlesungen gefehlt, was zweifellos zu seinem mittelmäÃigen Abschluss beigetragen hatte, der ohne seinen Vater nie dazu geführt hätte, dass die renommierte Kanzlei Rice ihm ein Referendariat angeboten hätte.
Dennoch war er sich sicher, dass ihm eine Haftstrafe blühte, falls man sie erwischte, was er jedoch für unwahrscheinlich hielt. Abgesehen davon mochte er nicht glauben, dass sie dabei waren, etwas allzu Schlimmes zu tun. Es war ja nicht so, als brächen sie in ein Haus ein, um die Bewohner auszurauben, oder in eine Bank, um die Ersparnisse anderer Menschen an sich zu nehmen. Es ging um Gemälde, die keineswegs Sammlern gehörten, sondern sich gröÃtenteils im Besitz von Finanzinstituten befanden und zweifellos hoch versichert waren. Wenn man diese Gemälde stahl, würden die Banken, die in sie investiert hatten, die Versicherungssumme kassieren und den verlorenen Kunstwerken vermutlich keine Träne nachweinen. Der Empfänger dieser Gemälde dagegen wäre fraglos jemand, der sie zu schätzen wusste, ganz wie der Maler es sich gewünscht hatte. So jedenfalls rechtfertigte Gareth an diesem Abend sein Vorhaben.
Die zwölf fertigen Rahmen hatten er und Montignac in der Threadbare gelassen, denn zunächst wollten sie sich vergewissern, ob ihr Plan sich überhaupt verwirklichen lieÃe. Danach wollten sie die Rahmen über den Speicher transportieren, was vermutlich nicht ganz einfach sein würde. Einige von ihnen waren unhandlich und schwer, sodass sie mehrmals hin und her kriechen müssten, um sie allesamt in die Clarion zu schaffen.
Im Restaurationsraum der Clarion schaltete Montignac das Licht ein und sah sich nach den Staffeleien um. Als er feststellte, dass sie verschwunden waren, sank ihm der Mut. Er durchsuchte die Regale, schaute sogar hinter den Farbtöpfen und Terpentinflaschen nach, doch die Cézanne-Gemälde waren unauffindbar.
»Hier«, sagte Gareth, der zum anderen Ende des Raums gegangen war, wo eine groÃe Zeltplane offenbar eine groÃe Kiste verhüllte. Er hob die Plane hoch und entdeckte in einer Halterung zwölf flache hölzerne Kästen.
»Mir fällt ein Stein vom Herzen«, sagte Montignac, der in sekundenlanger Verzweiflung überschlagen hatte, ob er
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