Das Vermächtnis der Montignacs
»Diese wenigen Stunden, die Sie an jenem Abend mit Gareth verbracht haben, waren die letzten, in denen er ein freier Mensch war. Als der Abend vorüber war, hatte ihn das, was auch immer geschehen war, vernichtet. Es hat unsere Familie zerstört. Deshalb muss ich es von Ihnen hören. Bitte.«
Montignac seufzte erneut. Er erinnerte sich nicht gern an die Ereignisse dieses Abends.
»Haben Sie Kinder, Mr Montignac?«, fragte sie, als sie sein Zaudern bemerkte.
Dies war eine Frage, die er mehr als jede andere hasste. Sie riss ihn aus seinen Gedanken, und er spürte den Schmerz, der durch seine Brust fuhr, sodass er sich zum Sprechen zwingen musste.
»Nein«, presste er hervor.
»Denn wenn Sie Kinder hätten, würden Sie begreifen, wie wichtig das für mich ist. Es lässt mich einfach nicht los.«
Montignac sah Jane an und begriff, dass sie nicht weichen würde, ehe er ihr alles berichtet hatte. Deshalb zuckte er mit den Schultern und gab nach.
»Wie ich der Polizei und Gareths Anwalt bereits erklärt habe, war ich an dem Abend nicht sehr lange mit Ihrem Sohn zusammen. Am Piccadilly gibt es ein Pub, in das ich manchmal gehe. Das Bullirag. Kennen Sie die Air Street?«
»Nein«, erwiderte Jane. »Die Gegend und ihre Lokalitäten sind mir nicht vertraut«, ergänzte sie trocken.
»Natürlich nicht. Aber am frühen Abend bekommt man dort recht ordentliche Mahlzeiten, und ich habe Gareth dorthin mitgenommen. Wir haben uns etwas zu trinken bestellt, doch Gareth besorgte sich ein Glas nach dem anderen. Sobald ich wegschaute, stand er an der Theke und lieà sich wieder eins geben. Nach einer Stunde etwa war er ziemlich betrunken.«
»Und Sie nicht?«
»Da konnte ich nicht mithalten. Das wollte Gareth zwar, aber bei solchen Mengen wäre ich irgenwann umgefallen. Das habe ich ihm erklärt, aber er lieà sich nicht beirren. Nach einer Weile wurde mir klar, dass wir nicht länger bleiben konnten. Gareth war schon laut geworden, und der Wirt warf uns drohende Blicke zu. Deshalb habe ich ein Taxi gerufen und Gareth in meine Wohnung geschickt, wo er seinen Rausch ausschlafen sollte. AnschlieÃend habe ich mich mit ein paar Freunden getroffen und die Nacht mit ihnen zugebracht. Sonst weià ich nur noch, dass am nächsten Nachmittag die Polizei hier bei mir erschien und mir mitteilte, was in der Zwischenzeit vorgefallen war.«
Jane schloss kurz die Augen. Diesen Teil der Geschichte mochte sie nicht mehr hören, der war ihr schon oft genug geschildert worden.
Montignac beobachtete sie und fragte sich, wie sie es schaffte, sich dermaÃen zu beherrschen. Er bewunderte ihre Stärke, wünschte jedoch, sie wäre nicht gekommen. Das Letzte, womit er gerechnet hatte, war der Besuch einer gramgebeugten Mutter. Erleichtert stellte er fest, dass seine Geschichte nach wie vor überzeugend klang. Inzwischen kam sie ihm sogar recht leicht über die Lippen.
8
In Wahrheit war jener Abend natürlich anders verlaufen.
Am Mittag hatte Montignac gewartet, bis Jason Parsons zur Pause gegangen und er allein in der Threadbare war. Dann hatte er in der Königlichen Gartenbaugesellschaft angerufen und darum gebeten, mit Raymond Davis verbunden zu werden. Das dauerte eine Weile, und aus Sorge, dass ein Kunde erscheinen könne, war er zunehmend ungeduldig geworden, denn bei dem geplanten Telefonat durfte es keinen Zuhörer geben. Dann meldete sich der Mann aus der Zentrale wieder und erklärte, Mr Davis habe sich den Tag freigenommen, um ihn mit seiner Verlobten zu verbringen. Stirnrunzelnd legte Montignac auf, wählte den Anschluss von Leyville und hoffte, das Glück sei auf seiner Seite und verhindere, dass Stella ans Telefon ging.
»Raymond Davis.«
»Raymond«, sagte er aufatmend und versuchte, so freundlich wie möglich zu klingen, »hier spricht Owen Montignac.«
Am anderen Ende wurde geschwiegen. Den Namen des Anrufers zu hören schien Raymond verlegen zu machen. »Owen«, sagte er schlieÃlich, »was für eine Ãberraschung.«
»Ja, das kann ich mir denken. Ich rufe an, um mich bei dir zu entschuldigen.«
»Zu entschuldigen?«
»Ja, und um dir zu gratulieren. Ich fürchte, in letzter Zeit war ich nicht sehr nett zu dir. Diese Sache da im Claridge vor einer Weile â die war unverzeihlich.«
»Ach«, sagte Raymond und versuchte, sein Erstaunen zu verbergen, »das
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