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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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oben für seinen Besucher vorbereitet, dieselbe, in der er mit Gareth die zwölf Rahmen für die leeren Leinwände hergestellt hatte. Dort legte er sein Jackett ab, rollte die Hemdsärmel auf, räumte einen Platz auf dem Fußboden frei und breitete darüber eine Plastikplane aus. Kurz vor sechs Uhr hörte er das Klopfen an der Eingangstür und lief die Treppe hinunter.
    Unten in der Galerie winkte er Raymond zu, nahm den Schlüsselbund von seinem Schreibtisch und suchte den richtigen Schlüssel auf dem Weg zur Tür heraus, ohne aufzusehen oder Raymond auch nur einen Blick zu schenken.
    Â»Tritt ein«, sagte er beim Öffnen der Tür, warf einen raschen Blick über die Straße, die zum Glück leer war, und schloss die Tür ab. »Schön, dass du es einrichten konntest.«
    Â»Dieses Treffen wollte ich mir nicht entgehen lassen.« Raymond sah sich in der Galerie um, die er bisher noch nie betreten hatte. »Das ist also die berühmte Galerie Threadbare, von der man allenthalben hört.«
    Montignac lachte. »Ja, das ist sie in all ihrer Pracht. Schau dich ruhig um. Bin gespannt, was du von den Werken hältst.«
    Raymond schlenderte an den Bildern entlang, blieb vor jedem stehen und betrachtete es kurz. »Ich bin kein großer Kunstkenner«, gestand er.
    Â»Dann dürftest du dich hier wie zu Hause fühlen.« Montignac nahm Raymond das Jackett ab und legte es sich über den Arm. »Die Künstler sind es nämlich auch nicht.«
    Â»Meine Mutter dagegen ist ganz vernarrt in die Kunst. Wahrscheinlich, um ein Interesse zu haben. Wusstest du, dass sie jedes Jahr ein Stipendium an der RADA finanziert?«
    Â»Der RADA?«, fragte Montignac verdutzt. »Das ist eine Schauspielschule.«
    Â»Nein, sie ist für Künstler.«
    Â»Für Schauspieler«, beharrte Montignac schmunzelnd. »Es ist die Royal Academy of Dramatic Arts.«
    Raymond drehte sich zu ihm um und runzelte die Stirn. »Ach ja? Und ich dachte immer, sie unterstützt einen hungernden Künstler in einer Dachkammer. Dabei war es eine Schwuchtel in Strumpfhose, die das Zeug von Shakespeare oder Oscar Wilde hinausposaunt?«
    Montignac lächelte in sich hinein und hielt seinen Plan plötzlich für noch mehr gerechtfertigt als zuvor; der Mann war seiner Cousine nicht würdig.
    Â»Das da ist furchtbar.« Raymond deutete auf ein kleineres Ölgemälde, das die Herzogin von Argyll an diesem Morgen für dreihundert Pfund erstanden hatte und am nächsten Tag abholen lassen würde. »Die Farben beißen sich ganz entsetzlich.«
    Â»Richtig«, sagte Montignac, »eine äußerst schwache Arbeit.«
    Â»Und das da.« Raymond zeigte auf das benachbarte Bild. »Soll das etwa einen Menschen darstellen?«
    Â»Man hat mir gesagt, dass es sich um einen Orang-Utan handelt.«
    Â»Könnte einem den Zoo verleiden.« Raymond schauderte. »Aber das da ist gar nicht so schlecht.«
    Â»Nein. Dein Auge ist besser, als ich dachte.«
    Â»Ach wo. Ich weiß nur, was mir gefällt.«
    Â»Das kann man wohl sagen. Stella, zum Beispiel. Und Blumen.«
    Raymond wandte sich um und fragte sich, ob es abfällig gemeint war. »Zu meiner Arbeit gehört einiges mehr«, verteidigte er sich. »Die Natur ist ebenso wertvoll wie die Kunst, die du schätzt. Natur ist Kunst. Schließlich malen Künstler die Natur. Ich meine die Leute, die Landschaften und Stillleben malen.«
    Â»Du hast recht«, entgegnete Montignac. »Wahrscheinlich sind wir gar nicht so unterschiedlich, wie wir geglaubt haben.«
    Â»Das habe ich auch immer so empfunden«, sagte Raymond. »Es war einer der Gründe, weshalb ich mich über deinen Anruf so gefreut habe. Und falls es doch noch Ungereimtes gibt, können wir es heute Abend vielleicht klären – oder ich kann dich wenigstens beruhigen, falls du glaubst, ich passe nicht zu Stella. In dem Fall hätte dieser Abend sich gelohnt, findest du nicht?«
    Â»Absolut.« Montignac klopfte Raymond auf die Schulter. »Ich hätte es selbst nicht besser ausdrücken können. Dass wir zu einem Einvernehmen kommen, ist alles, was für mich zählt. Könnte ich dich vorher vielleicht noch um einen Gefallen bitten?«
    Â»Klar«, sagte Raymond, »um was geht es?«
    Montignac lachte. »Es ist nichts Großes, ich brauche nur die Kraft deiner Arme. In einem der

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