Das Vermächtnis der Montignacs
lauter Stimme. »So ein Mann bin ich nicht. Ich könnte es gar nicht.«
»Keaton, treten Sie ein«, rief Hailsham.
»Bitte, entschuldigen Sie die Verspätung.« Keaton setzte sich und taxierte die Gesichter der anderen. »Ich wurde durch ein Telefonat aufgehalten, das kein Ende nehmen wollte.«
»Aber jetzt sind Sie da, und das ist das Einzige, was zählt«, entgegnete Hailsham. »Wir hatten ohnehin noch nicht angefangen. Gerade habe ich Roderick erklärt, dass, wenn er sich angesichts seiner derzeitigen« â er suchte nach einem passenden Wort â, »seiner derzeitigen Schwierigkeiten aus unserem Beratungskomitee zurückziehen möchte, wir dafür vollstes Verständnis hätten.«
Keaton runzelte die Stirn und lieà den Blick von einem zum anderen wandern. Zur Rechten des Lordkanzlers saà Walter Monckton, wie Petrus neben Jesus Christus. Er war der einflussreichste Berater des Königs und diente gewissermaÃen als dessen Stellvertreter. Links von Hailsham saà Lord Altringham und an dessen Seite Roderick Bentley.
»Darauf habe ich gesagt« â Roderick wandte sich an Keaton â, »dass ich dergleichen unter keinen Umständen, absolut gar keinen Umständen, auch nur erwäge. Wir sind eine überaus maÃgebliche Gruppe, die für die Zukunft des Landes verantwortlich ist, und ich werde diese Arbeit nicht beeinträchtigen, indem ich mich zurückziehe.«
»Ganz recht«, lobte Keaton. »Und falls ich das hinzufügen darf, Hailsham: Ich finde es nicht fair, ihn darum zu bitten. Sie scheinen Roderick zu unterstellen, dass er nicht imstande ist, unserem Anliegen seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, aber ich glaube doch, dass wir ihn besser kennen. Das ist ja schon fast eine Beleidigung.«
»Das habe ich damit nicht sagen wollen«, wehrte sich Hailsham gekränkt. »Ich wollte lediglich hilfsbereit sein und ihm nicht zumuten, dass er sich sowohl mit unserer Sache als auch mit allem anderen befassen muss.«
»Er hat seine Entscheidung getroffen«, betonte Keaton, der Roderick Bentley um nichts in der Welt verlieren wollte. »Lassen Sie uns anfangen.«
»Danke«, sagte Roderick und nickte Keaton zu, wenngleich ihn dessen Unterstützung wunderte. In den bisherigen Diskussionen hatten sie jeweils absolute Gegenpositionen vertreten, doch nun registrierte er erfreut, dass der andere Mann seine Integrität offenbar zu schätzen wusste.
»Gut, fangen wir an«, sagte Hailsham mürrisch, schlieÃlich hatte er es nur gut gemeint. »Zuerst eine wichtige Nachricht: Gestern Abend war ich in der Downing Street, um mich mit dem Premierminister zu treffen. Um den Reportern zu entgehen, bin ich hinten neben dem Büro des Kabinetts hineingeschlüpft.«
»Die Presse hat es doch schon herausgefunden«, sagte Lord Altringham. »Hat denn keiner von Ihnen die Zeitungen gelesen?«
»Ich schon«, antwortete Roderick. »Alles an den Haaren herbeigezogen, wenn man mich fragt. Was glauben diese Kerle eigentlich, wer sie sind?«
Walter Monckton zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich denken sie, sie haben das gleiche Recht, über die Zukunft des Königs zu diskutieren, wie einige Richter, die in einem muffigen Zimmer in Westminster sitzen.« Hailsham warf ihm einen bösen Blick zu.
»Die sollen ihre Finger davon lassen«, sagte er zornig. »Allmählich reicht es mir nämlich. Aber genug davon. Ich war also bei Baldwin. Er wusste bereits, dass wir uns heute treffen, und bat mich darum, Ihnen einige Dinge klarzumachen.«
»Oh nein, damit vergeuden wir keine Zeit«, warf Monckton ungehalten ein. »Jeder von uns weiÃ, dass er gegen den König ist. Soll er doch zurücktreten, wenn es ihm zu viel wird. Niemand wird ihn daran hindern.«
»Darum ging es in seiner Bitte«, entgegnete Hailsham seufzend. »Der Premier hat nicht die Absicht, wegen dieser Geschichte zurückzutreten. Wenn er es täte, würde im Land die Anarchie ausbrechen.«
Die anderen runzelten die Stirn und beugten sich vor, als der Lordkanzler mit gesenkter Stimme und in vertraulichen Tonfall weitersprach.
»Vorgestern Abend hat bei Baldwin ein Treffen stattgefunden. Attlee war eingeladen, in seiner Rolle als Leiter der Opposition. Des Weiteren Sinclair, als Vertreter der Liberalen. Und Winston Churchill.«
»Churchill?«, brauste Keaton
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