Das Vermächtnis der Montignacs
sagen, wie leid es mir für sie tut.«
Montignac schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das wäre keine gute Idee. Zurzeit befindet sie sich in Leyville, unserem Familiensitz. Mein Eindruck ist, dass sie in Ruhe gelassen werden möchte und Zeit braucht, um sich mit ihrem Verlust abzufinden.«
»Natürlich«, sagte Jane. »Selbst wenn ich sie besuchen dürfte, wüsste ich vermutlich nicht, worüber wir uns unterhalten könnten.«
»Deshalb lässt man sie im Moment am besten allein.«
»Das Gleiche hat mein Mann gesagt. Ich wollte ihr schreiben, um ihr zu sagen, wie leid ihr Verlust uns tut, aber Roderick war dagegen. Er glaubt, dass es sich auf den Prozess nachteilig auswirken könnte.«
»Da könnte er recht haben.«
»Roderick ist Richter«, erklärte Jane. »Aber das wissen Sie wahrscheinlich schon.«
»Ja.«
»Gareth hat auch Jura studiert. Um Anwalt zu werden. Er hätte dabei bleiben sollen.«
»Das habe ich nie richtig verstanden«, sagte Montignac. »Warum hat er den Beruf nach dem langen Studium nicht ergriffen?«
»Kinder sind seltsam, Mr Montignac«, antwortete Jane mit bittersüÃem Lächeln. »Es gibt ein Alter, da wollen sie ihre Eltern stolz machen und folgen ihrem Beispiel. Und dann, wenige Jahre später, wollen sie nichts mehr mit ihnen zu tun haben und lehnen das, was ihre Eltern verkörpern, ab, selbst wenn es ihnen abträglich ist.«
Montignac griff nach einem Bleistift, mit dem er auf die Schreibtischplatte klopfte und sich fragte, wie lange sie noch vorhatte zu bleiben.
Jane kehrte in die Gegenwart zurück und nahm seine Ungeduld wahr. »Ich halte Sie von der Arbeit ab«, sagte sie.
»Ãberhaupt nicht«, erwiderte Montignac. »Allerdings habe ich tatsächlich viel zu tun.«
»Noch eine letzte Frage. Werden Sie bei der Verhandlung aussagen?«
»Ich glaube schon. Man wird mich wohl als Zeugen aufrufen.«
»Als Zeugen der Anklage?«
Montignac zögerte, ehe er ein Nicken andeutete. »Für wen ich auftrete, ist eigentlich nicht wichtig. Ich habe ja kaum etwas zu sagen. Dazu war ich mit Ihrem Sohn an dem Abend gar nicht lange genug zusammen.«
»Aber Sie könnten doch bezeugen, dass er sehr betrunken war, ja? Vielleicht wird man das berücksichtigen, wenn es um das Urteil geht.«
In dem Moment erkannte Montignac, dass sie mit einem Schuldspruch rechnete, und fragte sich, welche Chance der arme Junge noch hatte, wenn nicht einmal seine Mutter an ihn glaubte. Es hätte nicht viel gefehlt, und Gareth hätte ihm leidgetan.
»Ich werde das bezeugen, was ich gesehen habe«, sagte er. »Was der Richter mit dieser Aussage macht â nun, dank Ihres Ehemanns dürften Sie das nur zu gut wissen.«
»Ja, das weià ich, aber was ist, wenn man Sie nach Gareths Charakter fragt? Dann können Sie doch Gutes über ihn berichten, oder nicht?«
»Ich fürchte, das wird für mich eher schwierig werden. Zum einen kannte ich ihn nicht lange genug, um mir eine Meinung bilden zu können. Und zum anderen kann ich mich nicht hinstellen und vor meiner Cousine Gutes über denjenigen sagen, der beschuldigt wird, ihren Verlobten ermordet zu haben.«
»Aber Sie haben Gareth gekannt«, beharrte Jane. »Sie haben ihn gemocht. Sie haben ihn eingestellt.«
»Sicher, aber â¦Â«
Jane beugte sich vor und suchte in seinem Gesicht nach irgendetwas, das ihr Hoffnung geben konnte. »Sie sind ein erfolgreicher junger Mann, Mr Montignac, mit einem angesehenen Namen. Wenn das Gericht hört, dass Sie Gareth eines solchen Verbrechens nicht fähig erachten, dann â«
»Mrs Bentley, bitte.«
»Wenn Sie beispielsweise aussagen würden, Sie hätten gehört, dass Raymond Davis Feinde hatte, dann könnte â«
»Er hatte aber keine Feinde«, warf Montignac ein.
»Woher wollen Sie das wissen?«, rief sie schrill, hörte selbst, dass sie laut geworden war, und senkte die Stimme. In beinahe vertraulichem Ton fuhr sie fort: »Sie müssen ihm helfen, Mr Montignac.« Mit beiden Händen umfasste sie seine Hand. Montignac spürte, wie weich ihre Hände waren, und ebenso die innere Anspannung, die ihr Griff verriet, das tiefe Entsetzen über das, was aus ihrem Leben geworden war. »Sie müssen ihm helfen. Wenn Sie das tun, wenn Sie etwas unternehmen, um all dem ein
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