Das Vermächtnis der Montignacs
mich vergewissern, dass er es auch ehrlich meint. Ich nehme den Zug am späten Nachmittag und hinterlasse ihr eine Nachricht. Ich werde ihr schreiben, dass ich zu einem Vortrag gehe, denn das hatte ich ja ohnehin vor.«
Für einen Moment verschlug es Montignac den Atem. Er spürte, dass er blass wurde, und sah sich verstohlen um.
»Er hat es dir erzählt«, flüsterte er. »Du warst da, als ich angerufen habe.«
»O ja, ich war da.«
»Er hat gesagt, er habe niemandem etwas erzählt.«
»Er hat gelogen. Aber für euch bin ich ja auch nie jemand gewesen. Ich bin ein Niemand.«
»Was willst du?«, fragte Montignac, der in Gedanken bereits die verschiedenen Möglichkeiten durchging. Wenn sie es gewusst hatte, hatte sie offenbar bis jetzt geschwiegen und auch keinen Grund gesehen, sich der Polizei zu offenbaren. Doch jetzt schien sie eine Gegenleistung zu erwarten.
»Ich verlange nicht sehr viel«, antwortete Margaret. »Eine Zeit lang wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich meine, nachdem ich mir die Wahrheit zusammengereimt hatte. Der Polizei habe ich kein Wort darüber gesagt, ich wollte nicht, dass der Familienname durch den Dreck gezogen wird, und Raymond hätte es auch nicht zurückgebracht. Und warum hätte ich Stella noch mehr Kummer machen sollen? Aber jetzt, da sie vorhat fortzugehen â jetzt habe ich erkannt, wie wertlos ich für sie bin und dass sie sich keinen Deut um mich schert. Deshalb habe ich keine andere Wahl, als mich an dich zu wenden. Du musst sie daran hindern, das Haus wegzugeben.«
»Du bist noch schlimmer als ich«, sagte Montignac leise.
»Wohl kaum«, entgegnete Margaret.
»Und wenn ich es tue, wenn ich ihr den Plan ausrede, dann hältst du weiterhin den Mund?«
»Mit einer Einschränkung. Ich lasse nicht zu, dass dieser Junge gehängt wird. Das ginge zu weit.«
Montignac trank einen Schluck Tee und dachte, dass mit einem Mal alles noch komplizierter geworden war und zu viele Menschen und Interessen zu berücksichtigen waren. »Ihn soll ich also auch noch retten?«
»Dafür muss es einen Weg geben«, sagte Margaret. »Er ist unschuldig.«
»Na schön«, gab Montignac nach, denn etwas anderes blieb ihm ohnehin nicht übrig, »ich will sehen, was sich machen lässt. Ich rede mit Stella und versuche, sie umzustimmen.«
»Liebst du sie noch?«
»Natürlich liebe ich sie!«, rief er, ohne nachzudenken. Die anderen Gäste drehten sich zu ihm um. Verlegen schaute er auf seine Teetasse. »Natürlich liebe ich sie noch«, wiederholte er leise. »Du ahnst ja nicht, wie mein Leben ohne sie gewesen ist. Und was ich â wozu ich letztendlich fähig gewesen bin. AuÃer Stella hat es nie jemanden für mich gegeben.«
»Dann sag es ihr«, drängte Margaret. »Wenn du es ihr sagst, wird sie bleiben. Das weià ich.«
Montignac betrachtete sie prüfend. »Es gibt Zeiten, da hinterfrage ich das, was ich getan habe«, erklärte er ruhig. »Da frage ich mich, was für ein Mensch ich bin. Aber jetzt weià ich eines mit Sicherheit: An dich reiche ich nicht heran.«
»Was soll das heiÃen?«
»Du sitzt da und behauptest, uns alle drei geliebt zu haben und dass du für uns gesorgt hast.« Er schnaubte verächtlich. »Du hast immer nur für dich selbst gesorgt. Das, was du vor all den Jahren zu Stella und mir gesagt hast, wie du uns genannt hast ⦠Und jetzt hast du den Nerv, mir zu raten, zu ihr versuchen, sie zurückzugewinnen, nur damit du weiterhin deinen Traum leben kannst, die Herrin von Leyville zu sein? Ich mache Onkel Peter keinen Vorwurf daraus, dass er dich in seinem Testament vergessen hat. Ich würde dich auch vergessen.«
Margaret schob die Unterlippe vor und sah ihn finster an. »Leider hast du keine Wahl, Owen. Entweder du hilfst mir, oder du verlierst alles. Nach all der Zeit gibt es noch einmal eine Chance für dich, für euch beide. Es liegt an dir, ob du sie ergreifst oder nicht.«
Montignac dachte an all das, was er getan hatte, und verspürte einen Stich der Reue. Es hat zu dieser Kette von Ereignissen geführt, die er in Bewegung gesetzt hatte. Er betrachtete die alte Dame, die ihm gegenübersaà und Angst vor ihrer Zukunft hatte, und fragte sich, ob es nicht vielleicht doch einen Menschen gab, der das Chaos, zu dem sein Leben geworden war,
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