Das Vermächtnis der Montignacs
möchte ich noch geklärt haben: Mr Davis wurde an diesem neunzehnten August also definitiv zwischen zwei und drei Uhr morgens ermordet. In einer Wohnung am Bedford Square, in der sich zur selben Zeit lediglich der Angeklagte Mr Bentley aufhielt?«
»Ort, Tag und Uhrzeit kann ich bestätigen«, erwiderte Dr. Cawley mit Bedacht. »Wer sich in der Zeit in dieser Wohnung aufgehalten hat, entzieht sich meiner Kenntnis.«
»Hm«, machte Harkman und nagte an seiner Unterlippe. Er war sich sicher, dass ihm irgendetwas entgangen war, und sein Instinkt sagte ihm, dass Sir Quentin ihn in eine Sackgasse gelockt hatte, deren Ende er nicht erkennen konnte. Deshalb beschloss er, nicht weiter vorzudringen, und kehrte zu seinem Platz zurück. »Keine weiteren Fragen«, brummte er.
»Danke, Dr Cawley«, sagte Richter Sharpwell. »Sie können â«
»Einen Moment noch, Euer Ehren.« Sir Quentin stand auf. »Wenn Sie gestatten, hätte ich noch ein, zwei Fragen an den Zeugen.«
»Bitte«, sagte Sharpwell ergeben.
»Dr. Cawley, als Sie den Leichnam untersuchten, haben Sie sich da lediglich auf die Verletzungen am vorderen Teil des Schädels konzentriert, ich meine diejenigen, die zum Tod von Mr Davis führten?«
»Nein, Sir.«
»Aha. Haben Sie auch an anderen Stellen des Leichnams etwas Bemerkenswertes entdeckt?«
Cawley zog ein Notizbuch hervor und blätterte zu einer Seite vor. »Ja, Sir. Im Lauf der Autopsie habe ich eine weitere Verletzung an dem Toten entdeckt. Sie war zu einem früheren Zeitpunkt entstanden.«
Wieder lief ein Raunen durch die Zuschauerreihen. Richter Sharpwell griff nach seinem Hammer. Das Raunen verstummte.
Jane drehte sich zu Montignac um. »Was war das?«, flüsterte sie. »Hat er tatsächlich von einer früheren Verletzung gesprochen?«
»Ja«, sagte Montignac. Mit zusammengezogenen Brauen beobachtete er Sir Quentin und den Zeugen.
»Dr. Cawley«, fuhr Sir Quentin fort und genoss die Spannung, die er verursacht hatte, »könnten Sie uns beschreiben, um welche Art Verletzung es sich dabei handelte?«
»Sicher. Am Hinterkopf des Toten, direkt oberhalb des Nackens, befand sich eine weitere Verletzung. Ich vermute, sie stammte von einem Schlag, den Mr Davis erhalten hatte. Auch dieser Schlag war mit einem schweren Gegenstand ausgeführt worden, einem Schürhaken möglichweise oder einer Stahlstange.«
»Interessant. Hätte diese Verletzung ausreichen können, um Mr Davis zu töten?«
»Nein. Dieser Schlag hat zur Bewusstlosigkeit des Opfers geführt, aber nicht zu seinem Tod.«
»Konnten Sie anhand dieser Verletzung feststellen, wann sie entstanden war? Könnte sie sich beispielsweise kurz vor den tödlichen Schlägen auf das Stirnbein verursacht worden sein?«
»Definitiv nicht«, antwortete Cawley. »Die Schwellung war im Vergleich zu den anderen Wunden bereits in fortgeschrittenem Stadium. Nach meinen Berechnungen entstand diese frühere Verletzung acht bis zehn Stunden vor dem Todeszeitpunkt, also zwischen vier und halb sechs am Nachmittag des achtzehnten August.«
»Das heiÃt, möglicherweise zehn Stunden, bevor die tödlichen Schläge ausgeführt wurden«, wiederholte Sir Quentin bedeutungsvoll.
»Ja.«
Diesmal wurde das aufgeregte Gemurmel im Gerichtssaal so laut, dass Richter Sharpwell mit dem Hammer auf seinen Tisch schlagen und die Zuschauer lautstark um Ruhe bitten musste. Jane reckte sich, um einen besseren Blick auf die Anklagebank zu erhalten. Montignac schaute nervös auf seine Uhr.
»Dr. Cawley« â Sir Quentin griff den Faden wieder auf â, »Sie sagen, dass Mr Davis zehn Stunden vor seinem Tod bewusstlos geschlagen wurde. Wie lange hat diese Bewusstlosigkeit Ihrer Meinung nach gedauert?«
»Angesichts der Schwellung und der Blutgerinnung unter der Wunde würde ich von sechs bis zwölf Stunden ausgehen.«
»Weist etwas darauf hin, dass dieser erste Schlag am Bedford Place ausgeführt wurde?«
»Meiner Ansicht nach nicht. In dieser Wohnung gab es keinen Gegenstand, mit dem man einen solchen Schlag hätte ausführen können.«
»Wir können also annehmen, dass es woanders geschah?«
»Das würde ich so sehen, ja.«
»Einspruch.« Harkman sprang auf. »Will die Verteidigung uns allen Ernstes weismachen, dass
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