Das Vermächtnis der Montignacs
auf dem Flur nach Handtasche und Mantel und lief hinaus zu dem wartenden Wagen.
Roderick trat ans Fenster und sah zu, wie sie sich einen Weg zwischen den Reportern hindurchbahnte. Plötzlich verspürte er den Drang, aus dem Haus zu stürzen, über die Zeitungsleute herzufallen und sie ein für alle Mal von seinem Grundstück zu jagen. Gleich darauf stellte er fest, dass ihm die Kraft dazu fehlte. Er konnte nichts mehr tun. Er setzte sich auf das Sofa, sah sich in seinem Arbeitszimmer um und fragte sich, wie er künftig seine Tage füllen sollte.
Auf dem Weg zum Old Bailey geriet der Wagen in einen Stau, und Jane traf später als erwartet im Gerichtssaal ein. Der Platz in den vorderen Reihen, auf dem sie sonst immer gesessen hatte, war besetzt. Frustriert blieb sie am Rand stehen und reckte den Hals, um einen Blick auf Gareth auf der Anklagebank zu erhaschen. Sie wünschte, er würde sich zu ihr umdrehen, sodass sie erkennen konnte, ob sein Auftritt im Zeugenstand am Vortag Spuren hinterlassen hatte.
»Madam, Sie müssen sich setzen«, flüsterte ihr ein Gerichtsdiener zu. Jane nickte und überflog die vollbesetzten Reihen, bis sie weiter hinten am Rand einen freien Platz entdeckte. Als sie dort saÃ, versuchte sie, Anschluss an das Geschehen zu bekommen. Sir Quentin war dabei, einen Zeugen zu verhören, den Jane nicht kannte. Mit gefurchter Stirn überlegte sie, wer der Mann sein könnte.
»Keine Sorge«, flüsterte ihr jemand ins Ohr, »das Verhör hat gerade erst begonnen.«
Jane fuhr herum. »Mr Montignac«, murmelte sie und errötete, als sie an ihre Begegnung in der Galerie Threadbare dachte. »Ich hatte Sie gar nicht gesehen.«
»Ich habe Sie bereits gesehen, als Sie hereingekommen sind.«
Jane schenkte ihm ein kleines Lächeln. Sie wusste nicht, ob sie seine Worte als Kompliment auffassen sollte oder nicht. »Wer ist der Zeuge?«, wisperte sie.
»Der Gerichtsarzt«, flüsterte Montignac.
Eine Hand legte sich auf Janes Schulter. Sie sah sich um und entdeckte den Gerichtsdiener, der den Zeigefinger auf seine Lippen legte. Jane nickte und konzentrierte sich wieder auf den Zeugenstand.
»Dr. Cawley«, begann Sir Quentin, »Sie sind der Gerichtsarzt, der die Autopsie an dem Leichnam von Raymond Davis durchgeführt hat, ist das richtig?«
»Ja, Sir«, antwortete Dr. Cawley, ein Mann mittleren Alters, der es gewohnt war, vor Gericht auszusagen.
»Könnten Sie uns sagen, was Sie als Todesursache festgestellt haben?«
»Ja. Es war ein Schlag auf den Schädel, der das Stirnbein zertrümmert hat. Meine Untersuchung hat ergeben, dass drei solcher Schläge ausgeführt wurden und der Tod vermutlich nach dem zweiten Schlag eintrat.«
»Verstehe«, sagte Sir Quentin. »Haben Sie auch den Kerzenständer untersucht, den die Anklage als Beweismaterial anführt?«
»Ja, Sir.«
»Können Sie uns sagen, ob Sie diesen Gegenstand für denjenigen halten, mit dem Raymond Davis getötet wurde?«
»Das ist mit absoluter Sicherheit der Fall.« Cawley warf dem Richter einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder an Sir Quentin wandte. »In den Schädelwunden von Mr Davis befanden sich winzige Farbsplitter, die mit der Farbe des Kerzenständers übereinstimmen. Zudem klebten am Fuà des Kerzenständers Blut, Haare, Knochensplitter und Gehirnmasse des Toten. Insofern gibt es für mich keinen Zweifel daran, dass der Kerzenständer die Mordwaffe war.«
»Danke«, sagte Sir Quentin, der vor dem Zeugenstand lässig auf und ab spazierte â zu lässig, wie Jane fand â, als sei er mit den Gedanken ganz woanders. »Konnten Sie auch die Uhrzeit des Todes bestimmen, Dr. Cawley?«
»Ja, Sir. Meine Berechnungen haben ergeben, dass der Tod am neunzehnten August dieses Jahres zwischen zwei und drei Uhr morgens eintrat.«
»Also etwa fünf oder sechs Stunden, ehe die Polizei den Toten am Bedford Place entdeckte.«
»Soweit ich weiÃ, ja.«
»Danke, Dr. Cawley. Im Moment habe ich keine weiteren Fragen.«
Sharpwell hob verwundert die Brauen und warf Harkman einen Blick zu, der sich erhob und ähnlich perplex wirkte.
»Ich habe nur wenige Fragen, Dr. Cawley«, begann er und beäugte Sir Quentin am Tisch der Verteidigung misstrauisch. »Einen groÃen Teil meiner Fragen hat Sir Quentin bereits gestellt. Aber eines
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