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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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länger als unbedingt nötig anschauen musste.
    Später am Nachmittag waren einige der Stammkunden vorbeigekommen und hatten versucht, ihn in ein Gespräch über die Ausstellung eines Künstlers zu verwickeln, die ein Konkurrent der Threadbare eben eröffnet hatte. Montignac war ungewöhnlich schweigsam gewesen.
    Â»Haben Sie die Ausstellung schon gesehen?«, erkundigte sich eine Dame, die mehrere tausend Pfund in der Threadbare Gallery gelassen hatte und nicht einmal einen Hauch Urteilsvermögen besaß.
    Â»Gestern Morgen habe ich dort vorbeigeschaut«, erwiderte Montignac zerstreut.
    Â»Mir hat sie nicht gefallen«, fuhr die Kundin fort. »Ich weiß nicht, wie jemand dazu kommt, diesem Künstler so viel Platz einzuräumen. Dass sich so etwas verkaufen lässt, kann ich mir nicht denken. Was meinen Sie dazu? Das, was Sie hier haben, ist weitaus interessanter. Es stellt eine Herausforderung dar, finden Sie nicht?«
    Â»Doch, absolut«, sagte Montignac, wenngleich die einzige Herausforderung für ihn darin bestand, nicht die Schere zu nehmen und jedes Bild zu zerfetzen, ehe es die ästhetischen Vorstellungen der Welt noch weiter herabsetzen konnte.
    Â»Am meisten freue ich mich natürlich auf die Cézanne-Ausstellung.«
    Â»Ja, von ihr habe ich gehört«, entgegnete Montignac. Arthur Hamilton von nebenan hatte ihm berichtet, dass etwa ein Dutzend dieser Gemälde zur Restaurierung in seine Galerie kommen würde, ehe die Sammlung ihre Reise durch die Museen antrat. Montignac hoffte auf die Möglichkeit, sie sich vorher allein ansehen zu können.
    Als Jason Parsons sich um sechs Uhr abends verabschiedet hatte, schloss Montignac die Eingangstür ab, kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und schenkte sich aus der Flasche, die er in der untersten Schublade aufbewahrte, ein Glas Whisky ein. Anschließend schlug er das Kontenbuch auf und begann, die Transaktionen des Monats einzutragen. Sein Magen knurrte, denn tagsüber hatte er kaum etwas gegessen; nicht einmal zum Lunch war er dank Stellas Besuch gekommen. Als sie verschwunden war, hatte er das von Jason mitgebrachte Sandwich angeschaut und festgestellt, dass ihm der Appetit vergangen war. Jetzt bedauerte er, das Sandwich weggeworfen zu haben, denn den Whisky auf leeren Magen trinken zu müssen, das stimmte ihn noch missmutiger, als er schon war.
    Für die stumpfsinnige Verwaltungstätigkeit brauchte er gewöhnlich ein, zwei Stunden. Dabei verglich er die Belege der Ausgaben mit den Ausgängen und trug die Zahlen ein, denn Mrs Conliffe prüfte die Aufstellungen monatlich und vergewisserte sich, dass jedes ausgegebene Pfund, jeder Shilling und Halfpenny mit einem Nachweis versehen waren. An diesem Abend fand er die Monotonie der Arbeit jedoch wohltuend; sie lenkte ihn von den Problemen ab, die ihm derzeit zu schaffen machten.
    Zum einen ging es um den Betrag von fünfzigtausend Pfund, den er Nicholas Delfy schuldete, und um die erste Rate von zehntausend Pfund, die in einem Monat fällig war.
    Zum anderen war da der Verlust von Leyville, des Kapitals, der Ländereien, Zinsen und Mieteinahmen, die von Rechts wegen ihm gehörten.
    Ein drittes war Stellas Verlobung mit dem Idioten Raymond Davis und ihre absurde Idee, ihn zu heiraten. Die Kinder aus dieser Ehe würden ihn noch weiter von seinem rechtmäßigen Erbe und dem Leben, das er zu führen wünschte, entfernen. Obwohl ihn all das nicht kümmern sollte, dachte er grollend, denn in ihrem Zuhause war er ja immer willkommen.
    Er überlegte, ob er in eine Bar voll lärmender Gäste im Westend gehen solle, wo er sich unbemerkt an einen Ecktisch verziehen konnte, um seine Sorgen bei ein paar Gläsern zu vergessen, doch der Gedanke, noch mehr Geld auszugeben und am Morgen mit einem Kater aufzuwachen, hielt ihn davon ab. Eine andere Möglichkeit wäre, ein paar Spiele zu machen und seine Nöte mit der flüchtigen Hoffnung auf einen Gewinn zu betäuben, entweder beim Kartenspiel oder beim Roulette, aber auch das könnte die Sache letztendlich nur noch verschlimmern. Seine Gedanken wanderten zu den Frauen, doch sein Körper reagierte nicht, wenngleich er einen Trost dieser Art seit Wochen nicht mehr genossen hatte. Auch jetzt besaß die Vorstellung für ihn nur wenig Reiz. Er musste etwas tun, erkannte er. Etwas, das seine Probleme auf einen Schlag lösen würde.
    Als an der Eingangstür

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