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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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warum hätte er dich dann aufnehmen sollen? Warum hätte er dich aufgezogen und dir eine gute Ausbildung ermöglicht? Er hätte dich in Frankreich deinem Schicksal überlassen können.«
    Â»Ich hatte dort auch Familie«, betonte Montignac. »Ich wäre ganz gewiss nicht verhungert.«
    Â»Er hat dir ein besseres Leben geboten.«
    Â»Mag sein.« Anders als Stella hatte Montignac einen gewissen Verdacht, aus welchen Gründen sein Onkel ihn enterbt haben könnte.
    Â»Ständig hat man uns gesagt, dass wir dich wie einen Bruder behandeln sollen. Und das haben wir getan.« Stella schien den Tränen nahe zu sein, doch nach dieser letzten Aussage konnte Montignac sich nicht mehr zurückhalten.
    Â»Wirklich, Stella?«, fragte er und staunte über ihre Fähigkeit, die Vergangenheit umzuschreiben. »Nur wie einen Bruder? Ist das dein Ernst? Nach all der Zeit? Dass du mich nur wie einen Bruder behandelt hast?«
    Stella schluckte und wandte den Blick ab. »Darauf lasse ich mich nicht ein, Owen.« Sie trat an ihm vorbei.
    Â»Das dachte ich mir.«
    Â»Offensichtlich bist du nicht in Stimmung, eine zivilisierte Unterhaltung zu führen, deshalb lasse ich dich jetzt lieber allein.«
    Sie eilte die Treppe hinunter. Montignac folgte ihr. »Das ist wahrscheinlich besser«, sagte er und sah zu, wie sie ihren Mantel und die Einkaufstüten einsammelte.
    Â»Nur eines möchte ich noch sagen.« Sie drehte sich zu ihm um. Er erkannte die Tränen in ihren Augen und wunderte sich darüber, dass ihm der Anblick immer noch zu Herzen ging. »Mein Zuhause ist auch dein Zuhause. Da gibt es für mich keinen Unterschied. Es hätte Andrew gehören sollen oder vielleicht auch dir, aber jetzt ist es zufällig meines. Und wenn du ihm den Rücken kehrst, ist es so, als würdest du mir den Rücken kehren«, fügte sie weicher hinzu. »Und das möchte ich nicht. Das möchte ich ganz und gar nicht.«
    Â»Ich auch nicht«, murmelte er und wandte sich ab, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen.
    Sie berührte seinen Arm. Es kam so plötzlich, dass er zurückzuckte, als hätte er einen Stromschlag erhalten.
    Â»Nach allem, was wir durchgemacht und überlebt haben, Owen«, sagte sie mit Nachdruck, »da wäre es doch lächerlich, wenn wir uns jetzt zerstreiten.« Nach kurzem Zögern ergänzte sie: »Denk doch nur, um wie viel schlimmer es hätte ausgehen können. Wenn Margaret nicht gewesen wäre.«
    Montignac atmete tief durch. Er wollte, dass sie auf der Stelle verschwand, denn dieses Gespräch mochte er nicht länger führen.
    Â»Ich muss wieder an die Arbeit«, erklärte er. »Wir hören voneinander.«
    Â»Versprochen?«
    Â»Versprochen.«
    Â»Und du wirst dir mit Raymond Mühe geben?«
    Â»Auch das. Dir zuliebe, nicht seinetwegen.«
    Â»Mehr verlange ich ja auch nicht. Wenn man ihn kennt, merkt man, dass er wirklich ein sehr netter Bursche ist.«
    Montignac musste einen nahezu unwiderstehlichen Lachanfall unterdrücken. Da für den Moment alles gesagt war, beugte Stella sich vor, gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange, ließ ihre Lippen dort noch einen Moment verharren und atmete seinen Geruch ein, ehe sie sich abwandte und die Galerie verließ, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Â»War das Ihre Schwester?«, fragte Jason Parsons, der an Montignacs Seite erschienen war und zusah, wie Stella über die Straße verschwand.
    Montignac schaute ihr ebenfalls nach. »Meine Cousine.«
    Jason stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Sie ist schon was Besonderes, oder?« Dann sah er den ungehaltenen Blick seines Chefs. »Sollte keine Beleidigung sein«, fügte er hastig hinzu.
    Â»War da nicht eine Wand freizuräumen?«, fragte Montignac und trat an Jason vorbei, ehe sein Drang, ihn zu schlagen, übermächtig werden konnte.

10
    An diesem Abend blieb Montignac länger als sonst in der Galerie, denn die Aussicht, in seine leere Wohnung zurückzukehren und dort zu versuchen, einen Plan auszuknobeln, um den Klauen von Nicholas Delfy zu entkommen, war wenig reizvoll. Die Neuzugänge in der Galerie waren inzwischen untergebracht worden, und es war ihm bereits gelungen, am Nachmittag zwei von ihnen zu verkaufen und einen Privatsammler am Telefon für ein weiteres Bild zu interessieren, was bedeutete, dass er die abscheulichen Machwerke nicht

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