Das Vermächtnis der Montignacs
dort jeder beipflichten. »All das andere, was man sich vom Leben wünscht â Glück, Freunde, Liebe, Geschlechtsverkehr â, ergibt sich, wenn man dafür bezahlen kann. Dass man mit Geld kein Glück kaufen kann, ist das lächerlichste Klischee von allen.«
»Glauben Sie das wirklich?«, fragte Gareth. »Ist das nicht ein bisschen zynisch?«
»Ãberhaupt nicht. Zeigen Sie mir einen unglücklichen reichen Mann, und ich zeigen Ihnen einen, der sich lediglich mehr ins Zeug legen muss.«
Gareth grinste. »Vielleicht haben Sie recht.«
»Mit Sicherheit«, entgegnete Montignac bestimmt. »Die Frage ist nur, wie weit man gehen will, um dieses Glück zu erreichen.« Er beugte sich vor. »Wie weit wären Sie bereit zu gehen, Gareth?«
»So weit, wie ich muss«, antwortete Gareth mit leisem Unbehagen. »In vernünftigem Rahmen, natürlich.«
Solche und ähnliche Gespräche hatten sie seit Wochen geführt, ehe die Schranken gefallen waren und Montignac erkannt hatte, dass Gareth ein netter, wenn auch ein wenig dummer Junge war, der alles tun würde, um dem Sklavenleben zu entgehen, das man für ihn geplant hatte, und der keinen groÃartigen moralischen Richtlinien folgte, um sein Ziel zu erreichen. Das Leben betrachtete er als Abenteuer, etwas, worüber man lachte und das man genoss, ohne jemals etwas wirklich Schlimmes zu tun, natürlich nicht, auch nichts, das einem anderen spürbar schaden konnte. Doch harmlosen Plänen stand er offen gegenüber.
Darüber hinaus trank er keinen Alkohol, das war Montignac schon an dem Abend aufgefallen, als Gareth ihn in der Threadbare besucht hatte. Später war er mit ihm in ein Pub unten an der Cork Street gegangen, und da hatte der junge Mann nur Wasser bestellt.
»Alkohol bekommt mir nicht«, bekannte er, schien jedoch nicht gewillt, diese Schwäche näher zu erläutern. »Es ist besser, wenn ich einen klaren Kopf behalte.«
Montignac fragte nach den Gründen für die Abstinenz, doch Gareth schüttelte nur den Kopf und sagte, darüber wolle er nicht sprechen. »Ein andermal«, versprach er und lachte, als sei es ohnehin nicht von Bedeutung. »Sie erzählen mir ja auch nichts über sich.«
»Nein«, gab Montignac zu, »das tue ich nicht.«
Das hinderte Gareth jedoch nicht daran, über Montignac nachzudenken, denn der hatte eine Ausstrahlung, eine Selbstsicherheit, die man schon als Arroganz bezeichnen konnte, Eigenschaften, die Gareth beeindruckten. Ein ums andere Mal versuchte er, diesen Eindruck genauer zu benennen, aber er lieà sich nicht richtig in Worte fassen. Es war etwas, das sich in seiner Kleidung ausdrückte und in der Selbstsicherheit, mit der er die Objekte in seiner Galerie verachtete, wohingegen er andere mit groÃer Ãberzeugung als Meisterwerke bezeichnete. Es lag daran, wie er an seinem Schreibtisch beim Lesen der Morgenzeitung lässig eine Zigarette rauchte. Es steckte in der Leichtigkeit, mit der er einer reichen alten Dame einflüsterte, das Gemälde, das sie verwirrt anstarrte, werde sie reicher, jünger und verführerischer machen, sie müsse ihm nur umgehend einen Scheck ausstellen und es mitnehmen, als könne dessen reine Gegenwart in ihrem Haus ihre Jahre mindern und junge Männer herbeilocken, die um ihre Aufmerksamkeit buhlten. Es hing damit zusammen, dass er für sich blieb und kaum Freunde zu haben schien und Gareth sich irgendwie in diesen erlesenen Kreis aufgenommen fühlte. In seinem Leben hatte er sich immer mal wieder gefragt, wie er sein wollte, und es nie definieren können, doch jetzt musste er nur durch die Galerie schauen, wo Montignac in Gedanken versunken umherwanderte, und er hatte die Antwort gefunden.
Montignac öffnete die Hintertür, an der Gareth stand, und schaute hinaus auf die Gasse.
»Sie sind spät dran«, zischte er. »Ich hatte Sie gebeten, punkt zwölf Uhr zu erscheinen.«
»Tut mir leid«, sagte Gareth, »ich wurde aufgehalten. Abgesehen davon ist es erst einige Minuten nach zwölf.«
»Wenn wir es schaffen wollen, müssen wir pünktlich sein.« Montignac lieà Gareth herein, musterte ihn und erkannte zufrieden, dass er wie geheiÃen gekleidet war. »Hat Sie auch niemand beim Weggehen gesehen?«
»Ich habe meinen Eltern eine gute Nacht gewünscht. Wahrscheinlich denken sie, dass ich krank werde oder
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