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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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kommentierte Chamberlain. »Sein Name ist Mark of Runes, und es ist ein Thoroughbred. Wissen Sie, was das bedeutet? Es bedeutet, dass sein Stammvater ein heißblütiger Araberhengst war, der dem königlichen Gestüt entstammte«, beantwortete Chamberlain die Frage selbst, noch ehe Ballantyne etwas erwidern konnte. »Dieses Pferd ist die Krone dessen, was seine Art hervorzubringen vermag, ein vollendeter Organismus, dazu geschaffen, zu laufen und zu siegen. Im Mai wird Mark of Runes beim Epsom Derby starten und über seine Gegner triumphieren – und das sollte er auch, denn seine Besitzerin hat viel Geld investiert. Haben Sie eine Vorstellung davon, was ein englisches Vollblutpferd dieser Tage kostet, mein guter Ballantyne?«
    Die Frage klang herablassend, als erwarte Chamberlain wiederum nicht, dass sie beantwortet wurde. Dennoch schüttelte Ballantyne, der weiter durch das Fernrohr blickte, den Kopf. Er wusste nicht, was ein solcher Gaul kostete, und es war ihm auch gleichgültig. Ihn plagten andere Sorgen.
    »Aber wenn die Dinge so laufen wie vorgesehen, wird Mark of Runes ein Vielfaches von dem einbringen, was in seine Anschaffung, seine Haltung und sein Training investiert wurde«, fuhr Chamberlain fort, während die Pferde Seite an Seite einen Hügel hinaufstürmten. Nun erwies sich die Klasse, von der der Anwalt eben noch geschwärmt hatte.
    Noch ehe sie die Hügelkuppe erreichten, hatte Mark of Runes die Führung übernommen und war seinen Rivalen und deren Reitern um eine Kopflänge voraus.
    Ballantyne setzte das Fernrohr ab. »Und um mir das zu zeigen, haben Sie mich eigens nach London herbestellt?«, fragte er.
    »In der Tat – obwohl mir klar ist, dass Ihre Landsleute nicht allzu viel auf Pferderennen geben«, beschied Chamberlain ihm mit einer entschuldigenden Geste. »Aber gewissermaßen, mein Freund, ist unser ganzes Leben ein einziges Rennen. Deshalb können auch jene, die sich nicht der Rennleidenschaft verschrieben haben, viel daraus lernen. Sehen Sie nur genau hin.«
    Widerstrebend hob Ballantyne das Fernrohr erneut an. Es missfiel ihm, von einem Mann geschulmeistert zu werden, der jünger war als er und ungleich ärmer an Erfahrung. Doch dies war Chamberlains Spiel. Der Anwalt bestimmte die Regeln – und ihm blieb nichts anderes, als sich darauf einzulassen.
    Mark of Runes hatte seinen Vorsprung ausgebaut.
    Eine halbe Pferdelänge lag nun zwischen den Kontrahenten, die mit atemberaubendem Tempo in eine Senke sprengten. Die grauen Umrisse laubloser Bäume wischten an ihnen vorbei, dann beschrieben alle drei eine enge Kurve. Der Wind trug den Hufschlag herüber, gefrorenes Erdreich stob unter den Hufen davon.
    »Sehen Sie«, fuhr Chamberlain gedehnt und mit der Haltung eines Raubtiers fort, das sein Opfer bereits sicher in der Falle wusste, »auch in der Welt der Finanzen geht es um Gewinner und Verlierer. Die Klienten, die zu mir kommen, wollen am Ende auf der Seite der Gewinner stehen. Sie wollen ihre Interessen gegen alle Widerstände gewahrt wissen, deshalb kommen sie zu mir und vertrauen mir ihr Wertvollstes an – nämlich ihren weltlichen Besitz.« Er lachte leise, die Formulierung schien ihm zu gefallen. »Wie zum Beispiel die Aufsicht über ein Pferd, das für viel Geld erworben wurde und nun gewinnbringend eingesetzt werden soll. Ich überwache sein Training und sorge dafür, dass alle Beteiligten, vom Reiter bis zum letzten Stalljungen, mit dem nötigen Ernst bei der Sache sind. Ist dies nicht der Fall, so obliegt es mir, für die entsprechende Motivation zu sorgen. Und glauben Sie mir, mein Freund, darin bin ich wirklich gut.«
    Ballantyne widersprach nicht, zumindest das glaubte er dem Briten aufs Wort. Da er nicht wusste, was er erwidern sollte, warf er abermals einen Blick durch das Fernrohr. Einer der Schecken hatte wieder Boden gutgemacht, und die beiden Pferde lieferten sich ein dramatisches Kopf-an-Kopf-Rennen. Obschon es Ballantyne im Grunde gleich sein konnte, ertappte er sich dabei, dass er insgeheim für den Schecken Partei ergriff.
    »Und was hat das alles mit mir zu tun?«, fragte er.
    »Sehr viel«, versicherte Chamberlain, der dem Ausgang des Rennens gelassen entgegenzublicken schien. »Denn sehen Sie, auch wenn Mark of Runes die besten Voraussetzungen dafür hat, ein großes Rennpferd zu werden, sind seine noble Herkunft und seine herausragenden Anlagen doch keine Garanten dafür, dass er das Derby gewinnen wird. Damit will ich sagen, dass ein guter Name und eine

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