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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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anstellen. Vielleicht können uns die Zeitungsleute mehr über den geheimnisvollen Verfasser des Flugblatts sagen.«
    »Eine gute Idee«, stimmte Mary zu, »genau das werde ich tun.«
    »Ich komme mit«, versicherte Walter.
    »Und ich stelle gerne meine Mietdroschke zur Verfügung«, fügte McCauley hinzu.
    »Bist du sicher, dass du das tun willst, Kind?«, fragte Lady Charlotte, an Mary gewandt. »Quentin meinte, du solltest jede Art von Aufregung oder übermäßiger Anstrengung meiden.«
    »Keine Sorge«, beschwichtigte Mary, »ich überanstrenge mich nicht. Aber ich will wissen, was es mit dem Verfasser dieses Briefes auf sich hat. Das bin ich Onkel Walter schuldig«, fügte sie entschlossen hinzu und fühlte in diesem Moment, wie gut es tat, wieder einmal eine Entscheidung allein getroffen zu haben.
    Ohne Quentin.
    Ohne Brighid.
    Und ohne Schmerz.

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    17
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    Loch Leven
Zur selben Zeit
    Die alte, aus Stein gemauerte Hütte stand am Südufer der Insel, die sich inmitten der dunklen Spiegelfläche des Loch Leven erhob, eingebettet zwischen grauen Felsen und so unscheinbar, dass sie nicht weiter auffiel.
    Aus diesem Grund hatte Scrymgour sie ausgewählt.
    Dass unweit davon, auf der anderen Insel des Sees, einst ein Spross des Hauses Stewart gefangen gewesen und schließlich getürmt war, war nur ein Zufall, gleichwohl ein bedeutsamer; dass ausgerechnet der verhasste Walter Scott vor einigen Jahren daraus eine seiner romantisch verbrämten Geschichten gemacht hatte, war eine hässliche Ironie.
    Scrymgour hatte gewartet, die ganze Zeit über. Warten machte ihm nichts aus, im Gegenteil, über die Jahre war es ihm zur zweiten Natur geworden. Wie der Wolf, dessen Maske er trug, zog er es vor, sein Opfer zunächst aus der Ferne zu beobachten und genau zu studieren, ehe er zum Angriff überging. Diese Taktik hatte ihn bislang stets vor Schaden bewahrt, und er war sicher gewesen, dass sie auch bei der Gefangenen aufgehen würde, die sich seit gestern in der Gewalt der Bruderschaft befand.
    Natürlich hatte Scrymgour nicht selbst an dem Überfall teilgenommen. Er war lediglich derjenige, der im Hintergrund die Fäden zog; der angeordnet hatte, die geheimnisvolle Frau, die sich in Gesellschaft von Quentin Hay befand, genau zu überwachen; der jeden ihrer Schritte verfolgt hatte, seit sie in Leith das Schiff verlassen hatte; und der schließlich befohlen hatte, sie zu entführen, ehe Hay sie an einen Ort bringen würde, wo die Bruderschaft ihrer womöglich nicht mehr habhaft werden konnte.
    Dass die Reisenden sich entschlossen hatten, wegen des strömenden Regens in einer Scheune Zuflucht zu suchen, hatte die Sache erheblich vereinfacht; nun befand sich die geheimnisvolle Frau mit dem pechschwarzen Haar und den tiefblauen Augen in ihrer Gewalt, und Scrymgour hatte die letzten Stunden damit zugebracht, das zu tun, was er am besten konnte.
    Er hatte beobachtet.
    Doch diesmal hatte es sich nicht bezahlt gemacht.
    Durch ein winziges Loch in der Wand hatte er zugesehen, wie sie die Gefangene in die kleine Kammer gesteckt hatten, die sich an der rückwärtigen Wand der Hütte befand und die einst Ziegen und Schafen als Behausung gedient hatte. Stroh bedeckte den Boden, der Geruch von Fäulnis tränkte die Luft, dennoch hatte sich die Frau nicht beschwert. Reglos kauerte sie auf dem Boden und starrte blicklos vor sich hin, und das schon seit Stunden. Wenn Scrymgour also Erkenntnisse wollte, so würde Beobachtung allein diesmal nicht genügen.
    Als er ihre Kammer betrat, tat er es in vollem Ornat, mit der geschwärzten Wolfsmaske vor dem Gesicht und dem dunklen Umhang, der Haupt und Körper wallend bedeckte. Wenn sie beeindruckt war, ließ sie es sich jedoch nicht anmerken. Noch nicht einmal ein Hauch von Furcht war in ihren Zügen zu erkennen, wie er enttäuscht feststellte.
    »Sieh an«, sagte sie mit einer Stimme, die tiefer und fester war, als er vermutet hatte. »Haben Sie endlich den Mut gefunden, mir persönlich gegenüberzutreten?«
    Trotz der Maske, die er trug, und obwohl er den Schauplatz gewählt hatte und sie sich in seiner Gewalt befand und ihm nicht entkommen konnte, verspürte Scrymgour Verunsicherung. Wieso war sie nicht eingeschüchtert? Woher nahm sie den Mut, ihn derart geringschätzig zu mustern? Und vor allem: Wo war der französische Akzent geblieben?
    »Was soll das heißen?«, fragte er.
    »Das soll heißen, dass ich auf Sie gewartet habe«, beschied sie ihm in flüssigem Englisch und ohne erkennbare

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