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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Regung. »Auf jemanden, der etwas zu sagen hat, anders als die Schergen, die mich entführt und hierher verschleppt haben. Sie sind doch der Anführer dieser beklagenswerten Gestalten, oder? Wenn nicht, so verlange ich, jemanden zu sprechen, der über Entscheidungsgewalt verfügt.«
    Scrymgour schnaubte unter der Maske. Er mochte es nicht, wenn jemand seine Führerschaft in Frage stellte. Und wenn dieser Jemand eine Frau war, gefiel es ihm noch sehr viel weniger:
    »Ich verfüge durchaus über Entscheidungsgewalt«, versicherte er. »Aber ich verstehe nicht …«
    »… warum ich Ihre Sprache akzentfrei beherrsche?«, fiel sie ihm ins Wort. »Warum ich nicht die bin, die Sie erwartet haben?« Sie lachte verächtlich. »Hätte ich immer das getan, was man von mir erwartet, so wäre ich längst nicht mehr am Leben, Scrymgour.«
    Er stand wie vom Donner gerührt.
    Hatte sie gerade tatsächlich seinen Namen genannt?
    Wie, in aller Welt …?
    »Ich bin nicht …«, wollte er erwidern, doch ihr Lachen, das herausfordernd und geradezu unverschämt war, ließ ihn sogleich wieder verstummen.
    »Versuchen Sie gar nicht erst, es zu leugnen«, beschied sie ihm. »Da sind so viele Dinge, die Sie verraten: Zunächst natürlich die Maske des Wolfs, die darauf hinweist, dass Ihr verstorbener Urgroßvater, der vierte Earl of Scrymgour, einen Wolf als Haustier gehalten haben soll. Außerdem die Tatsache, dass sie Ihren linken Fuß ein wenig nachziehen. Ist es nicht eine seltsame Ironie des Schicksals, dass Sie in Ihrer Jugend vom selben Leiden befallen worden sind wie Walter Scott? Somit gibt es trotz aller Feindschaft etwas, das Sie gemeinsam haben.«
    Was Scrymgour verspürte, war eine Mischung aus Verblüffung und maßlosem Entsetzen. Trotz der Verkleidung, die er trug, kam er sich von dieser Frau durchschaut vor und fühlte sich ihr in gewissem Maße ausgeliefert, und das, obwohl sie es war, die dort vor ihm im Stroh kauerte, das Haar wirr und das Kleid zerschlissen.
    Wie, so fragte er sich, konnte sie von diesen Dingen wissen? Jemand musste geplaudert, ihn verraten haben …
    »Sie fragen sich nun sicher, woher ich das alles weiß«, sagte sie in ihrem tiefen Alt, der zugleich betörend und unverhohlen gefährlich klang. Sie erinnerte ihn an eine Schlange, wie sie so vor ihm hockte und ihn mit Blicken taxierte, die die Maske und den Umhang mühelos zu durchdringen schienen. »Dabei sollten Sie bedenken, Scrymgour, dass Informationen eine Ware wie jede andere sind, was bedeutet, dass sie käuflich erworben werden können. Es ist nur eine Frage des Preises.«
    Also doch! , schoss es ihm durch den Kopf.
    Er war also verraten worden.
    »Wie viel?«, ächzte er.
    Die Frau lachte leise. »Vermutlich wären Sie enttäuscht. Ich fürchte, dass die Preise nach dem Debakel mit dem Runenschwert stark gefallen sind. Für die Aussicht, ein paar Jahre Zuchthaus erspart zu bekommen, war manch einer Ihrer ehemaligen Mitstreiter bereit, alle Eide zu brechen, die er geschworen hatte.«
    »Verräter«, knurrte Scrymgour.
    »Verübeln Sie es ihnen nicht. In dieser Welt muss jeder selbst sehen, wie er zurechtkommt, nicht wahr? Auch Sie haben sich zunächst zurückgezogen, haben darauf gewartet, dass Gras über die Sache wächst und darauf gehofft, dass kein Constable an die Tür Ihres Hauses klopfen würde. Dennoch haben Sie die Hoffnung in all den Jahren nicht aufgegeben. Immer wieder haben Sie daran gedacht, die Bruderschaft wieder aufleben zu lassen und ihr Erbe fortzuführen. Und deshalb sind Sie heute hier und tragen diese eigentümliche Maskerade, die jeden Sinn verloren hat.«
    Scrymgour wusste nicht, was er erwidern sollte.
    Vorhin noch hatte er geglaubt, Herr der Lage zu sein und die Fäden des Handelns in den Händen zu halten – nun war er sich nicht mehr so sicher. »Vergessen Sie nicht, dass Sie meine Gefangene sind, Teuerste«, sagte er, aber es hörte sich längst nicht so überlegen an, wie er es beabsichtigt hatte.
    Vielmehr klang es hilflos.
    Fast wie ein Schuldeingeständnis.
    »Was ich bin und was ich nicht bin, dürfte im Auge des Betrachters liegen«, entgegnete sie kühl. »Legen Sie die Maske ab, vielleicht sehen Sie mich dann anders!« Dann erhob sie sich, und ihre Körperhaltung hatte nichts mehr von einer Frau, die als blinder Passagier an Bord eines Schiffes reiste und ihr Erinnerungsvermögen verloren hatte. Scrymgour kannte diese Haltung nur zu gut, weil er sein halbes Leben damit verbracht hatte, zu solchen

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