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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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für möglich gehalten, dass ihm Arton jemals einen solch offenen Einblick in seine Gefühlswelt erlauben würde. Irgendetwas war nach Artons Rückkehr in die Festung vorgefallen, was den Krieger nicht nur zu einem jähen Gewaltausbruch getrieben hatte, sondern ihn auch mit einem nachhaltigen Schmerz erfüllte, der ihn nun ungewöhnlich mitteilsam stimmte. Laut Erbukas war es zu Artons Wutausbruch gekommen, nachdem der Krieger den Tempel besucht und dort, wie Rai folgerte, wahrscheinlich ein weiteres Mal den Hohepriester getroffen hatte. Was also konnte dieser alte Citdiener gesagt oder getan haben, das den Krieger in solchem Maße aufgewühlt hatte?
    »Hast du mit dem Tempelvorsteher auch über deinen Vater gesprochen?«, fragte Rai geradeheraus. Er folgte nur einer vagen Ahnung, aber er war es gewohnt, seiner Intuition zu vertrauen.
    Ruckartig hob Arton den Kopf und sein Blick traf Rai wie ein Pfeil. »Wie kommst du darauf?«, verlangte der Krieger zu wissen.
    »Naja, ich dachte eben«, Rai kratzte sich nervös am Handrücken, »weil du dich so genau nach meinem Vater erkundigst und mir gerade erzählt hast, dass du den deinen nicht kennst. Das scheint dich offenbar zu beschäftigen und unmittelbar vor deinem … bevor du so ungehalten wurdest, hast du den Citpriester besucht, da drängte sich mir die Vermutung sozusagen auf.«
    Der Kämpfer musterte Rai eine kleine Ewigkeit, als könne er sich nicht entscheiden, ob er nun beeindruckt oder erbost sein sollte. Schließlich ließ er seinen Blick wieder zu Boden sinken und begann gedankenvoll, die Linien seiner Handfläche nachzuzeichnen. »In diesen Tagen bin ich recht leicht zu durchschauen, wie mir scheint.« Er seufzte tief. »Du hast recht, es ging unter anderem um meinen Vater. Der Erleuchtete Nataol verfügt über erstaunliche Kenntnisse, was sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart betrifft. So hatte er auch eine Vermutung darüber, wer mein Erzeuger sein könnte.«
    Rais Herz begann, vor Aufregung schneller zu schlagen. Würde ihn der wortkarge Kämpe etwa bei solch einer wichtigen Angelegenheit ins Vertrauen ziehen? War es ihm endlich gelungen, Artons abweisende Zurückhaltung zu überwinden?
    »Und?« Rai bemühte sich vergeblich darum, gelassen zu klingen. »Was hat er gesagt?«
    »Ich musste heute lernen, dass es manchmal besser ist, nicht allen Dingen auf den Grund zu gehen«, bemerkte der Krieger tonlos. »Wenn das väterliche Leuchtfeuer dich in einen bodenlosen Abgrund führt, dann wäre es weiser gewesen, niemals danach Ausschau zu halten.«
    »Aber wenn es so furchtbar war, was du über deinen Vater herausgefunden hast«, konterte Rai diese unheilvolle Andeutung, »dann kannst du dich doch immer noch davon abwenden, wie du vorhin selbst gesagt hast.«
    »Möglicherweise ist es aber von den Göttern vorherbestimmt, dass ich diesem Pfad in den Abgrund folge.« Arton deutete auf seine Stirn. »Es ist alles schon eingepflanzt, tief in meinem Kopf, in meinem Wesen. So wie die Motte, die nichts anderes kann, als dem Schein des Feuers ins Verderben zu folgen. Vielleicht gibt es keinen freien Willen, keine Entscheidungsmöglichkeiten, vielleicht laufen wir alle nur an unsichtbaren Schnüren den himmlischen Puppenspielern, die sich Götter nennen, hinterher.« Arton blickte abermals auf und wieder sah sich Rai dem düster forschenden Blick des Einäugigen ausgesetzt. »Sieh mich an, Rai, schau mir ins Gesicht und sage mir, dass du nicht den Fluch meiner Geburt erkennen kannst, dass du nicht die Dunkelheit in mir spürst, dass du nicht jedes Mal Furcht empfindest, wenn du mir ins Auge blickst.«
    »Aber, aber …«, der Tileter suchte nach Worten, »ja, es mag schon sein, dass du manchmal ganz schön Furcht einflößend bist. Doch genau das willst du doch auch sein. Du umgibst dich mit einer Wolke aus Angst wie ein Schild, damit niemand dir zu nahe kommt und erkennt, dass auch du nur ein ganz normaler, mit ein paar Schwächen behafteter Mensch bist.«
    »Sei dir da mal nicht so sicher«, murmelte Arton zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
    Rai stutzte einen Augenblick, entschloss sich dann aber, diese merkwürdige Aussage einfach zu ignorieren. »Was ich meine, ist, dass du dich doch ganz gezielt dafür entscheidest, durch dein Verhalten andere abzuschrecken. Das ist kein Fluch oder Schicksal, sondern schlicht deine eigene Wahl. Dabei hättest du das doch gar nicht nötig, denn wenn du nicht permanent den unnahbaren Finsterling mimen

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