Das Vermächtnis der Schwerter
Küchenschabe am nächsten Baum aufknüpfen. Aber wir sollten gar nicht damit anfangen, Leute hinzurichten, denn dann können wir auch gleich wieder die Sklaverei einführen. Also wird Ferrag Andobras verlassen müssen – er darf nicht mehr hier bleiben, da er Rai entführt und somit ein Unrecht begangen hat. Das dient auch als mahnendes Beispiel für die anderen Bewohner, damit sie begreifen, wie es hier zukünftig abläuft. Seid ihr damit einverstanden?«
Die anderen nickten.
Daraufhin gähnte Barat herzhaft. »Jetzt muss ich mich aber ein wenig hinlegen, sonst schlafe ich gleich hier unter dem Tisch ein.«
»Na gut«, erwiderte Erbukas, »ich werde das mit der Sperrkette veranlassen und über alles andere können wir ja morgen nach dem Frühstück noch einmal sprechen.«
Damit erhoben sich alle, verließen den Speisesaal und machten sich auf den Weg zu ihren gemeinsamen Schlafquartieren im Kasernenbau. Allein Rai betrat das Gebäude nicht mit den anderen, sondern erklärte, er wolle sich noch am Brunnen auf dem Burghof ein wenig erfrischen. In Wahrheit verlangte es ihn jedoch nicht nach einem Bad, sondern er beabsichtigte, Arton einen Besuch in dessen Zimmer abzustatten, allerdings ohne dass die anderen etwas davon mitbekamen. Gemächlich schlenderte er zu dem Brunnen im Burghof hinüber, der sich inmitten der Zeltstadt der Minenflüchtlinge befand. Mittlerweile hatten sich die meisten Bewohner in ihre Zeltbehausungen zurückgezogen, sodass Rai bei seiner Umrundung des Brunnens unbehelligt blieb. Er ließ sich dabei so viel Zeit, bis er sicher sein konnte, dass Barat, Kawrin und Erbukas ihre Schlafstätten erreicht hatten und er ihnen nicht mehr auf dem Weg zu Artons Quartier über den Weg laufen würde.
Die Reaktionen seiner Gefährten auf Artons Verhalten hatten Rai nachhaltig erschüttert, denn besonders seit Kawrin und Arton ihn zusammen aus den Fängen der Xeliten befreit hatten, hegte er insgeheim die Hoffnung, sie würden sich alle langsam zu einer Gemeinschaft zusammenfinden. Aber gerade Kawrin zeigte sich ganz und gar unversöhnlich, was Arton betraf, und erweckte sogar den Eindruck, den Krieger am liebsten loswerden zu wollen. Rai empfand dies als zutiefst undankbar, denn schließlich könnte keiner von ihnen heute Nacht in einem warmen Kasernenbett ruhen, wenn Arton nicht das Unmögliche vollbracht und sie zum Sieg über die Garnison geführt hätte. Im Grunde musste man Arton als Helden bezeichnen, auch wenn sein Vorgehen manchmal nicht nach jedermanns Geschmack sein mochte und die Motive seines Handelns oftmals zweifelhaft blieben. Letztlich zählte doch nur, was seine Hilfe für sie alle bewirkt hatte, das durfte allein wegen eines Wutausbruchs und ein paar verwüsteter Räumlichkeiten nicht in Vergessenheit geraten. Im Grunde hätte er das den anderen auch ins Gesicht sagen sollen, aber er wollte keinen Streit riskieren, ohne vorher von Arton selbst gehört zu haben, was vorgefallen war. Dazu fühlte sich Rai schon aufgrund der simplen Tatsache verpflichtet, dass er Arton spätestens seit dessen offenen Worten nach dem Verlassen der Xelitenhöhlen als Freund betrachtete. Und einen solchen ließ man nicht unbeachtet mit irgendwelchen Sorgen allein, schon gar nicht, wenn sie ihn dermaßen aufzuwühlen schienen.
Der Tileter hatte die Umrundung des Brunnens abgeschlossen und machte sich wieder auf den Weg in Richtung Kaserneneingang. Als er nur noch wenige Schritte von der Tür entfernt war, überfiel ihn plötzlich das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden. Er fuhr herum, doch in der gestaltlosen Dunkelheit des Festungsplatzes ließ sich nichts ausmachen außer den schemenhaften Lichtschimmern, die aus einigen Zelthäusern drangen. Rai schalt sich leise für seine Schreckhaftigkeit, wandte sich entschlossen wieder um und betrat die Kaserne.
Das Zimmer des ehemaligen Kommandanten Garlan, das nun von Arton bewohnt wurde, befand sich am Ende eines langen düsteren Ganges im Erdgeschoss des Gebäudes. Nachdem Rai vor dem Quartier angelangt war, lauschte er zunächst angestrengt an der Tür, ob vielleicht ein Poltern oder Schreien dahinter zu hören war. Denn auch wenn Rai es sich vielleicht nicht eingestehen wollte, aber auch er hatte seine Furcht vor Arton noch nicht gänzlich abgelegt. Deshalb hegte er nicht die Absicht, dem Krieger ausgerechnet während eines Wutanfalls unter die Augen zu treten. Doch erhörte nichts.
Rai atmete tief durch und klopfte. Wieder herrschte Stille. Vorsichtig
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