Das Vermächtnis der Schwerter
Zwischenwelt besessen oder einfach nur verrückt geworden?«
»Ich wäre niemals in die Minen gekommen«, spie sie ihm hasserfüllt entgegen, »wenn dieses skrupellose Monster nicht gewesen wäre.« Verzweifelt bäumte sie sich noch einmal auf, aber Rai drückte mit seinen Knien unablässig ihre Oberarme auf den Boden.
»Wen meinst du denn?«, fragte Rai verwirrt. »Ulag?«
»Nein, nicht Ulag!«, schrie sie mit Tränen der Wut in den Augen und richtete ihren Blick voller Verachtung auf Arton. »Ihn meine ich! Er trägt die Schuld daran, dass ich nach Andobras kam.«
Rai sah verständnislos zu dem Krieger auf, der reglos neben ihnen stand und noch immer kein Wort gesagt hatte. »Aber das ist Arton«, erwiderte der Tileter zögernd, »er war selbst im Bergwerk gefangen und hat uns dort befreit.«
»Ja, das ist Arton Erenor«, bestätigte die junge Frau voller Bitternis. »Niemals werde ich diesen verfluchten Namen vergessen. Er hat mich ins Verlies werfen lassen, nur weil ich mich nicht von meinem geliebten Kind trennen wollte. Von dort wurde ich als Sklavin verkauft. Er ist ein Ungeheuer!« Sie wandte sich wieder an den schweigsamen Schwertmeister. »Was habt ihr mit meiner Tochter gemacht, sagt es! Lebt sie noch? Wo ist sie?« Wieder versuchte die ausgezehrte Frau erfolglos, sich zu befreien.
»Was redet sie denn da, Arton?«, wollte Rai beunruhigt wissen. »Was für ein Kind? Wer ist diese Frau?«
Artons Gesicht wirkte leblos wie ein Stein. »Belena«, sagte er so leise, dass es kaum zu vernehmen war.
»Ja, ich bin Belena Sogwin aus Seewaith und meine Tochter heißt Thalia!«, rief die Frau. »Schön, dass Ihr Euch wenigstens noch an meinen Namen erinnert.«
»Du kennst sie aus deiner Heimatstadt?«, fragte Rai zweifelnd. »Warum hast du sie denn dann nicht gleich erkannt, als wir sie befreit haben?«
Als Arton beharrlich schwieg, übernahm Belena das Antworten: »Der feine Herr hat mich doch keines Blickes gewürdigt! Nachdem er mir mein Kind entrissen hatte, wurde ich weggeworfen wie ein Stück Dreck. Wahrscheinlich hat er vergessen, dass ich überhaupt existiere. Aber ich habe ihn nicht vergessen! Als ihr mich befreit habt, konnte ich es zunächst nicht glauben, wer da vor mir stand. Ich habe ihn beobachtet, lange gezweifelt, ob er der Richtige ist. Die Narbe, die einfachen Gewänder, die Zeichen von Hunger und Entbehrungen haben mich lange getäuscht. Aber sein arrogantes, selbstherrliches Gehabe hat ihn verraten. Die überhebliche Art, wie er die einfachen Arbeiter behandelte, das war unverkennbar. Schon oft bin ich nachts vor seine Tür geschlichen, habe es aber bisher nicht gewagt, in seine Kammer einzudringen. Ich hatte damals geschworen, dass der Fluch seiner Tat ihn eines Tages einholen würde. Und heute bot sich endlich eine Gelegenheit für meine Rache«, sie warf Rai einen grimmigen Blick zu, »und es hätte funktioniert, wenn du nicht zurückgekehrt wärst.«
Der Tileter konnte nicht fassen, was er da hörte. Zutiefst erschüttert sah er erst Belena und dann wieder den Krieger an. »Bitte sag mir, dass das nicht stimmt, Arton! Du hast ihr das Kind weggenommen und sie dann in die Sklaverei geschickt? Das kann – nein, das will ich nicht glauben.«
»Ich habe dir gesagt, dass du keine Ahnung hast, wozu ich fähig bin«, erwiderte Arton dem Anschein nach völlig ungerührt. »Jetzt wirst du das wohl einsehen müssen.«
Mitgenommen schüttelte Rai den Kopf. »Und was ist mit ihrem Kind geschehen?«
»Ich weiß es nicht.« Der Schwertmeister zuckte teilnahmslos die Schultern. »Die Kriegerschule Ecorim, wo Thalia untergebracht war, ist abgebrannt. An welchem Ort sie sich jetzt befindet oder ob sie überhaupt noch lebt, weiß ich leider nicht.«
Auf diese Feststellung hin begann Belena, leise zu schluchzen, während Rais Körper von einem Schauer geschüttelt wurde. Er hatte das Gefühl, als ob in ihm gerade etwas erfroren sei.
Rai erhob sich und bot Belena seine Hand, um ihr aufzuhelfen. Dann geleitete er die weinende Frau nach draußen. Der Tileter schloss hinter sich und Belena die Tür und ließ Arton allein in seinem Quartier zurück. Wenn es wirklich Artons Ziel gewesen war, Rai davon zu überzeugen, dass es etwas zutiefst Hassenswertes in dem Krieger gab, das zwangsläufig jede Freundschaft vergiften würde, dann hatte dieser Versuch nunmehr zum Erfolg geführt.
ENTSCHEIDUNGEN
E r erwachte schweißgebadet. Ruckartig setzte er sich auf, fuhr sich durchs wirre Haar und
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