Das Vermächtnis der Schwerter
würdest, dann würden dich wahrscheinlich alle als Helden verehren. Denn genau das bist du in meinen Augen auch. Du hast den beinahe unbezwingbaren Ulag besiegt und damit unsere Flucht aus dem Bergwerk überhaupt erst ermöglicht. Du hast die übermächtigen Gardisten zweimal geschlagen, obwohl das vorher niemand für machbar gehalten hätte. Du hast mir mindestens dreimal das Leben gerettet und uns allen unsere Freiheit zurückgegeben. Ganz gleich, wer auch immer dein Vater war, ich kann bei dir keine Dunkelheit und keinen Fluch erkennen, nur einen mürrischen Kerl, der verbissen versucht, seine Heldentaten zu verleugnen, um aus unerfindlichen Gründen weiterhin mit sich hadern zu können.«
»Du kennst mich nicht, Rai«, antwortete Arton bitter. »Du weißt nicht, wozu ich alles fähig bin.«
»Das ist mir egal«, gab Rai hitzig zurück. »Ich werde dich nach dem beurteilen, was du getan hast, seit wir uns begegnet sind. Und in dieser Zeit hast du nur Gutes bewirkt.«
Arton verzog das Gesicht, so als bereite ihm Rais Freundlichkeit Unbehagen. »Ob das Kawrin auch so sieht?«
»Na gut, das mit Kawrin war ein wenig unglücklich«, räumte der Tileter ein, »du hast ihn damit sicherlich nicht zum Freund gewonnen. Aber ein Streit kommt in den besten Familien mal vor und selbst Kawrin bewundert dich für deine Heldentaten.«
»Heldentaten«, schnaubte der Krieger verächtlich. »Weißt du, was meine größte ›Heldentat‹ war? Als die Assassinen mein Heim überfielen und Tarana, die einzige Frau, für die ich jemals etwas empfunden habe, in ihre Gewalt brachten, was glaubst du, habe ich da getan? Ich jagte meiner Geliebten einen Pfeil in die Brust, ließ meine Kriegerschule abbrennen und den Verräter Megas, der für all das verantwortlich war, entkommen.« Arton schoss die Zornesröte ins Gesicht und unvermittelt schlug er mit der blanken Faust so fest gegen die Wand des kleinen Raums, dass seine Knöchel zu bluten begannen. »Klingt das nach einem Helden?«, stieß er wutentbrannt hervor. »Sind das die Taten eines Mannes, dem die Götter wohlgesinnt sind?«
Fassungslos über diese Enthüllung starrte Rai den Krieger an. »Das war doch sicher keine Absicht«, brachte der kleine Tileter schließlich eine beschwichtigende Antwort zustande. »Deine Geliebte ist durch einen Unfall gestorben, das war eben Schicksal.«
»Schicksal, göttliche Vorsehung – was auch immer!« Arton sprang auf. »Ich habe nie darum gebeten, eine Rolle in diesem kranken Spiel der Himmelsherrscher zu übernehmen. Ich wurde niemals gefragt, ob ich bereit bin, meine große Liebe aufzugeben, um auf dieser verfluchten Insel das Schwert Themuron zu erhalten.« Er gab der dunklen Klinge zu seinen Füßen einen Tritt, sodass sie klirrend in die gegenüberliegende Zimmerecke schlidderte.
»Das dunkle Schwert heißt Themuron?«, fragte Rai.
»Ja, Rai«, entgegnete Arton sarkastisch, »auch du bist ein Teil des himmlischen Marionettenspiels. Du hast die heilige Klinge Themuron, genannt Tausendsturm, aus dem Palast von Tilet entwendet, damit ich sie hier auf Andobras in Empfang nehmen kann. Auch deine Zukunft wurde somit auf dem Altar der göttlichen Vorsehung geopfert. Alles ist vorherbestimmt.«
Rai schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Warum sollten die Götter wollen, dass ich ausgerechnet dir das dunkle Schwert bringe?«
»Das ist sehr einfach. Das göttliche Schauspiel braucht einen Bösewicht.« Bedrohlich kam Arton auf Rai zu und fasste ihn an den Schultern. »Du weißt, wer dieses Schwert einst führte?«
Eingeschüchtert nickte Rai.
Artons Auge glänzte in kalter Wut. Ein unheimliches Lächeln umspielte seine Lippen. »Dann weißt du jetzt auch, wer mein Vater war.«
Zunächst verstand Rai nicht, was der Schwertkämpfer damit meinen könnte. Aber wie ein Katapultstein, der aus großer Höhe auf sein ahnungsloses Opfer herniedersaust, traf ihn schließlich die Erkenntnis. Seine Augen wurden groß, Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn, Angst wühlte sich durch seinen Körper. Sein Entsetzen war so überwältigend, dass er sich Artons festem Griff entwand und Hals über Kopf aus der Tür hinaus in den dunklen Kasernengang stürzte.
Erst als er das Gebäude verlassen hatte und wieder draußen in der kühlen Nachtluft auf dem Burghof stand, hielt er inne. Er konnte es noch immer kaum fassen. Arton war der Sohn des Herrschers von Arch Themur, dessen Name allein bereits als Fluch galt! Welche grausame Fügung des
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