Das Vermächtnis der Schwerter
Andobras bleiben oder mit einem Schiff zurück nach Tilet reisen, ganz wie es Euch gefällt.«
»Euch ist schon klar«, meinte Garlan argwöhnisch, »dass wir dann in Kürze mit Verstärkung zurückkommen werden, oder etwa nicht?«
Barat zuckte die Schultern. »Ja, das ist mir klar, auch wenn wahrscheinlich nicht Ihr es sein werdet, der diese Truppen bei der Wiedereroberung von Andobras anrührt.«
Garlan zögerte. »Nein?«
»Ich glaube nicht, dass Euch Techel Euer wiederholtes Versagen so einfach verzeihen wird. Nach dem Verschwinden des schwarzen Schwertes hat er Euch schon die Höchststrafe verpasst und Euch nach Andobras ins Exil geschickt. Und gleich nachdem Ihr hier das Kommando übernommen habt, geht die Insel an flüchtige Minensklaven verloren und Ihr büßt das Schwert, welches gerade durch einen glücklichen Zufall in Eure Hände gefallen ist, wieder ein. Das wird sich in Eurem Bericht an den König nicht gut machen.« Barat schüttelte besorgt den Kopf. »Nicht ganz unerheblich dürfte auch sein, wer nun das dunkle Schwert in seinen Besitz gebracht hat. Der Einäugige, der Euch auf dem Festungsplatz im Zweikampf besiegt hat und der jetzt die Klinge des einstmaligen Herrschers von Skardoskoin trägt, heißt Arton Erenor.«
Was sich bei diesen Worten auf dem Gesicht des ansonsten so diszipliniert wirkenden Kommandanten abzeichnete, ließ sich bestenfalls als blankes Entsetzen beschreiben. Barat bekam schon fast Gewissensbisse, weil er den armen Mann in einem einzigen Satz vermutlich gleich mit zwei erschütternden Wahrheiten konfrontiert hatte. Zum einen dürfte Garlan nicht bewusst gewesen sein, dass es sich bei dem schwarzen Schwert, dem er so lange vergeblich hinterher gejagt war, um die Waffe des Herrn von Arch Themur handelte. Zum anderen wurde ihm jetzt natürlich klar, dass er auf jeden Fall hätte verhindern müssen, dass eine solch mächtige Klinge ausgerechnet einem Mitglied des Hauses Erenor in die Hände fiel. Schließlich handelte es sich dabei, und das wusste sogar Garlan, um jene Familie, der auch Ecorim angehört hatte und die eine ständige Bedrohung für König Jorigs Thron darstellte.
»Wenn das stimmt«, rang sich der Kommandant endlich zu einer Antwort durch, »kann ich froh sein, wenn ich nicht mit dem Kopf auf dem Richtblock ende.« Resignierend fuhr er sich mit der linken Hand durch sein kurzes, ergrautes Haar. »Also, was habt Ihr anzubieten?«
Barat staunte, wie schnell sich der Kommandant nach diesen schlechten Neuigkeiten wieder gefangen hatte und sich ganz sachlich auf die neue Situation einzustellen versuchte. Aber das war wohl eine Fähigkeit, die sich ein ranghoher Offizier im Laufe seiner Dienstzeit aneignen musste, sonst konnte er es in der Armee nicht weit bringen. »,Anbieten’ ist hier das falsche Wort«, entgegnete Barat vorsichtig. »Andobras ist sicher auf den ersten Blick kein allzu einladender Ort …«
»Es ist das tristeste, windigste und regnerischste Stückchen Land, das sich finden lässt«, unterbrach ihn der Kommandant unwillig, »und zudem so abgelegen, dass selbst die Ratten hier nicht freiwillig von Bord gehen. Warum sollte ich also hier bleiben, wenn ich mich genauso gut in irgendeinem hübschen Küstenstädtchen auf dem Festland zur Ruhe setzen könnte?«
»Weil Ihr hier eine Aufgabe zu erfüllen habt«, erwiderte Barat mit fester Stimme. »Ihr würdet dabei helfen, aus diesem grauen Felsennest einen Ort der Freiheit und des Wohlstands zu machen, eine Zuflucht für jeden, der Willkür und Grausamkeit entkommen will, eine Stadt, für die es sich zu kämpfen lohnt. Niemand wird Euch hier für Fehler zur Rechenschaft ziehen, die Ihr nicht zu verantworten habt, und niemals werden wir Euch Eure Treue mit dem Richtschwert vergelten wie Jorig Techel. Es wird Gerechtigkeit herrschen auf Andobras.«
»Ich soll Euch als militärischer Berater dienen, verstehe ich das richtig?«, hakte Garlan nach.
»Ihr werdet zum Kommandanten der Streitkräfte von Andobras ernannt und seid einzig mir und meinen drei Gefährten unterstellt«, erklärte Barat.
»›Streitkräfte‹«, schnaubte Garlan, »ein Haufen entflohener Sträflinge, weiter nichts. Wisst Ihr, was passiert, wenn der König seine Flotte nach Andobras entsendet? Die werden eine halbe Meile vor der Küste ankern, Euch dann zwei Tage und Nächte mit Katapultgeschossen eindecken, bis es hier aussieht wie auf der Ebene von Arch Themur und schließlich zwei Kompanien Schwarzlanzer an Land schicken, um
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